Wachstum kostet Geld
Rainer Dörr verrät, wie sich der Erfolg im Unternehmen von ganz allein einstellt
Wie kommt ein Hidden Champion zu seinem Erfolg? Für Rainer Dörr ist diese Frage ganz einfach zu beantworten: „Ich gehe jeden Tag super gerne auf die Arbeit und es macht mir jeden Tag Spaß hier zu sein. Dann kommt der Erfolg eigentlich von allein.“ Auch von Businessplänen und mathematischen Analysen hält der Sportwagenhändler und ehemalige Rennfahrer nicht allzu viel. Er verlässt sich lieber auf sein Bauchgefühl. Das scheint ihn nicht fehlgeleitet zu haben. Vom Kfz-Azubi im väterlichen BMW-Autohaus hat er es zum erfolgreichen Unternehmer gebracht. Heute vertritt er zehn Sportwagenhersteller, unter anderem AstonMartin, Lamborghini und Lotus. Doch seine Motivation war niemals Geld oder Karrierestreben. Rainer möchte einfach nur glücklich sein und Spaß bei der Arbeit haben.
Genau dieser Spaß hat ihm irgendwann an seinem ursprünglichen Arbeitsplatz gefehlt. Da hat sich der passionierte Motorsportler entschlossen einen radikalen Schritt zu wagen. Er verkaufte seine Anteile am Autohaus und gründete seinen eigenen Sportwagenhandel – mit nichts. „Jeder hat mich für verrückt erklärt“, erinnert er sich heute. Am Anfang saß er vor leeren Aktenordnern und schaute auf einen PC mit leerem Speicher. Heute verkauft er mehrere hundert Sportwagen im Jahr. Doch bis dahin war es kein einfacher Weg. „Wachstum kostet irrsinnig viel Geld und wir sind ja in den letzten zehn Jahren nur gewachsen“, sagt Rainer, wenn er heute zurückblickt. Wie ihm das gelungen ist und welche Rolle seine Familie dabei gespielt hat, hat er uns im Interview verraten. Außerdem erfährst Du, wie sich Rainer bei seinem ersten 24-Stunden-Rennen geschlagen hat.
Interview mit Rainer Dörr
Johannes: „Herzrasen“ ist das Motto dieses Interviews. Und genau das suchen auch die Kunden meines heutigen Gastes. Wenn ich die Marken durchgehe, die er in Deutschland vertritt, dann weiß ich, was mit Herzrasen gemeint ist. McLaren, Lamborghini, Pagani, Bugatti sind nur ein Auszug. Er selbst sagt: „Ich bin angetreten, um ausschließlich das zu tun, was ich wirklich mag. Nämlich nah am Kunden sein und für ihn in Ruhe das richtige Auto finden.“ Wie groß ist der Anteil dieses einfachen Satzes an seinem gigantischen Erfolg? Das erfahren wir jetzt vom Geschäftsführer der Dörr Group persönlich. Herzlich willkommen, Rainer Dörr und danke, dass Du Dir die Zeit genommen hast und ich heute bei Dir in der Klassikstadt in Frankfurt sein darf.
Rainer: Ja, freut mich auch. Ich habe mich schon riesig drauf gefreut. Schauen wir mal, was Du mir für Fragen stellst.
Johannes: Ein wenig vorbereitet bist Du, aber ich werde ganz offen und ganz locker Fragen stellen. Rainer, sag mal in ein paar Sätzen: Wer bist Du und was machst Du?
Rainer: Ja, mein Name ist Rainer Dörr. Ich bin der Geschäftsführer und Inhaber der Dörr Group. Ich bin diesen Monat 52 Jahre alt geworden. Wir sind hier in Frankfurt, haben aber fünf Standorte in Deutschland, die wir mit unseren Marken besetzen. Wir haben zehn Marken im Portfolio und unsere Betriebsstätten haben wir in Berlin, Frankfurt, Stuttgart, Hockenheim und München.
Johannes: Zehn Marken. Da habe ich ja einige weggelassen. Welche war denn noch dabei?
Rainer: Ja, wir haben eben natürlich noch so ein paar kleinere Marken. BAC, Dallara, Lotus werden wir jetzt wieder neu in Frankfurt aufsetzen. Das haben wir schon die ganze Zeit. Aber Lotus bekommt ja jetzt neue Produkte und da werden wir auch dabei sein.
Johannes: Ich glaube, Lotus habe ich auch mit Dir verbunden, als ich vor fünf Jahren hier war. War die Marke zeitweise uninteressant?
Rainer: Genau, ich glaube, vor exakt fünf Jahren sind wir mit Lotus gestartet, aber dann sind die ja an Chinesen verkauft worden und dann war wirklich keine Entwicklung mehr bei den Fahrzeugen. Das war sehr, sehr schwierig, die Fahrzeuge auch zu verkaufen. Ersatzteilversorgung, Ansprechpartner: Das war schwierig, deswegen aber das Ganze von unserer Seite auch ein wenig zurückgefahren. Aber seit einem Jahr ist da Geely, die Lotus übernommen haben, jetzt haben sie neue Leute an Bord und neue Produkte am Start. Jetzt muss man mal schauen, inwieweit wir uns da wieder finden. Natürlich muss jetzt auch ein Händlervertrag neu verhandelt werden. Das ist natürlich der größte Punkt für uns, ob wir das machen oder nicht, denn es geht natürlich auch ums Geld verdienen. Die haben eine andere Idee, wie sie ihre Autos vermarkten wollen und ob wir die Idee gut finden oder nicht, das kann ich heute noch nicht sagen.
Johannes: Wollen die das mehr online machen, oder?
Rainer: Ja, ähnlich wie Tesla.
Johannes: Das wäre jetzt auch für mich die größte Diskrepanz, denn ihr habt auch Standorte, wo natürlich auch tolle Autos stehen …
Rainer: Also ich glaube, dass man in dem Sektor, in dem wir die Fahrzeuge verkaufen, die persönliche Betreuung benötigt. So wäre das ein wenig anders, da das ganze über Auslieferungszentren gehen soll und man die Fahrzeuge mehr oder weniger online bestellt. Ob das gut oder schlecht ist, dazu habe ich noch keine Meinung. Weiß ich nicht, das wäre jetzt zu früh gesagt.
Johannes: Was war der beste Rat, den Du je bekommen hast?
Rainer: Also, der beste Rat war schon 2010, als ein Rennfahrer von uns gesagt hat: McLaren baut super Sportwagen, bewirb Dich da mal! Das hat unser Leben verändert.
Johannes: Wie war denn Dein Stand, wenn Du jetzt auf 2010 zurückblickst? Hattest Du da schon Supersportwagen wie Bugatti oder Lamborghini gehabt oder kam das auch erst danach?
Rainer: Nein, damals war ich BMW-Händler, habe auch gar nicht an die Supersportwagen gedacht. Als Automobilverrückter träumt man immer von den Supersportwagen, aber da war 2010 überhaupt nicht dran zu denken und wir hatten uns dann beworben. Ich habe eine klassische Bewerbung an McLaren geschrieben und habe dann 2011 den Zuschlag bekommen.
Johannes: Aber Du hattest gewissermaßen schon einen Bezug zu Rennsport, weil Du sagtest, ein Testfahrer von Dir oder ein Rennfahrer von Dir. Wann bist Du eingestiegen ins Rennen fahren?
Rainer: 1999 sind wir das erste Mal 24-Stunden-Rennen gefahren. Da bin ich noch selbst gefahren, auf einem 318ti compact sind wir angetreten, 140 PS. Weiß ich noch wie heute. Wir haben mehr in den Rückspiegel geschaut als nach vorn, weil das Auto so langsam war. Da hat es dann auch angefangen mit dem Motorsport-Thema und da war dann auch die DNA unserer ganzen Firma da und auch mein Denken ist in dem Thema geboren worden.
Johannes: Und machst Du heute noch BMW?
Rainer: Nein, BMW ist Geschichte. Wir haben dann 2011, als dann das mit den Supersportwagen bzw. das mit McLaren kam, meine Anteile verkauft.
Johannes: Ich meine, das ist auch schon mutig, oder? Ich meine, das war auch ein gesetztes Unternehmen, das BMW-Autohaus.
Rainer: Ja, definitiv. Viele Wegbegleiter haben mich auch für verrückt erklärt, aber es ging nicht, weil auch die Kommunikation mit meinem Partner sehr schwierig war. Und ich habe eben alles auf eine Karte gesetzt und es ging Gott sei Dank gut. Vielleicht war es auch die richtige Entscheidung, weil der Fokus dann zu 100 % auf dem Unternehmen lag.
Johannes: Wie kann man sich das vorstellen? Du hast dann neue Räumlichkeiten gesucht?
Rainer: Ja, die hatte ich schon 2010. Mit der Bewerbung hatte ich schon Räumlichkeiten gesucht. Das war ein Teil meines Konzeptes, dass ich hier in die Klassikstadt gehe, in Frankfurt. Ich hatte dort schon Räumlichkeiten reserviert gehabt und das hat dann auch dazu beigetragen, dass McLaren uns den Zuschlag für Frankfurt gegeben hat, denn das Konzept von mir war einfach gut.
Johannes: Toll. Und heute ist es ja so, dass Du nicht mehr nur in Frankfurt bist, sondern auch in ganz vielen anderen Städten.
Rainer: Genau. Wir sind in fünf Standorten in Deutschland, also mit unseren Marken. Berlin haben wir auch besetzt. Wir sind dort mit Lamborghini und Aston Martin vertreten, dann natürlich Frankfurt, Hockenheim, Stuttgart und München.
Johannes: Jetzt will ich doch mal gerne auf das Gefühl oder zu dem Punkt zurückkehren, wo Du gesagt hast: „Ich trenne mich jetzt von BMW und gehe meinen eigenen Weg mit Supersportwagen.“ Mehr Mut kann ich mir gar nicht vorstellen, den man aufbringen muss, um diesen Schritt zu gehen. Was glaubst Du, welche Eigenschaft von Dir als Mensch hat dazu geführt, dass Du gesagt hast: „Hey, das mache ich, da habe ich Bock drauf?“
Rainer: Ich glaube, darin unterscheidet sich ein Unternehmer von einem Angestellten, dass man einfach macht. Das ist so meine Eigenschaft. Wenn ich mir was in Kopf gesetzt habe und irgendwo eine Vision habe, dann glaube ich da fest an diese Vision und dann komme ich sofort ins Umsetzen. Ich bin jetzt keiner, der dann Wochen oder Monate benötigt, bis er sich sowas überlegt hat. Wenn ich ein gutes Bauchgefühl habe und die Vision fest im Kopf verankert habe, dann mache ich das. Das war auch in dem Fall so.
Klar war BMW der sichere Hafen. Wir haben vier Standorte gehabt, wir haben 140 Mitarbeiter gehabt, wir haben über 2.000 Autos verkauft. Das war eine sichere Bank und jeder hat mich für verrückt erklärt. Ich habe hier am Anfang gesessen und hatte Leitz-Ordner hinter meinem Schreibtisch, die waren leer. Ich hatte einen Computer, der war leer. Ich hatte nichts. Wir hatten wirklich nichts. Aber ich habe daran geglaubt. Ich habe auch an die Marke geglaubt und an uns. An meine Person und meine Familie und mein Team. Daraus ist das entstanden, was heute hier ist.
Johannes: Hattest Du eine ganz klare Vision, ein ganz klares Ziel, oder hast Du gesagt: „Hey, ich habe ein gutes Gefühl, ich mache jetzt, ich starte und dann wird sich alles Sinn ergeben“? Oder hast Du sogar schon einen Plan gehabt, wie das mit weiteren Standorten funktionieren könnte?
Rainer: Mit den Standorten und mit den Marken natürlich nicht. Also mein Plan war, dass ich wieder voll im Verkauf bin, also dass ich mich um die Kunden kümmere, dass ich selbst die Autos verkaufe, dass ich selbst alles mache, hier mit einem winzigen Team agiere und schaue, dass ich Spaß am Arbeiten habe. Das ist in der Vergangenheit so ein wenig auf der Strecke geblieben und ich finde, das gehört auch zum Erfolg dazu, dass man Spaß bei dem hat, was man täglich tut. Und das ist so. Ich gehe jeden Tag super gerne auf die Arbeit und es macht mir jeden Tag Spaß hier zu sein. Dann kommt der Erfolg eigentlich von allein. Das war auch so der Antrieb, dass ich hier alles allein mache, was den Verkauf betrifft. Aber gut, es kam dann ein wenig anders und wenn sich die Chancen ergeben, dann bin ich halt ein solcher Mensch und greife zu.
Johannes: Was war so die größte Herausforderung, als Du sagtest: „Jetzt bin ich bei 0 gestartet, jetzt habe ich eine tolle Marke.“? Wie verkauft man dann? Wie kommst Du dann an Deine Kunden? Du bist ja wirklich neu gestartet. Das heißt auch, dass sich das Kundenklientel in der Regel ändert. Wer einen BMW fährt, wechselt wahrscheinlich selten zu McLaren.
Rainer: Ich konnte keine BMW-Kunden mit hier rüberbringen. Klar, eine Handvoll, wo man weiß, dass die auch sportwagenaffin sind. Aber im Großen und Ganzen mussten wir auf die Reise gehen und neue Kunden suchen. Natürlich hat die Marke McLaren eine riesige Strahlkraft. Das ist ja eines der ältesten Formel-1-Teams. McLaren kennt man und auch der F1 war ja der Supersportwagen in den Neunzigern. Also es war auf jeden Fall ein gutes Fundament da und es kamen auch sehr viele Kunden einfach so in unseren Showroom, die Interesse an der Marke hatten. Aber wir haben sehr viele Events besucht. Natürlich hat mir mein Motorsport-Netzwerk da riesig geholfen, weil alle, die ein bisschen motorsportverrückt sind, sind Kunden von uns. In der Anfangsphase war das Motorsportthema für mich sehr, sehr wichtig. Das ist heute noch immer wichtig, weil wir da ein riesiges Netzwerk im Motorsport haben.
Also seit 1999 sind wir im Motorsport aktiv, mal mehr, mal weniger. Aber es gab kein Jahr seit ´99, wo wir das Thema nicht hatten, es gehört zu uns dazu. Das ist mit Sicherheit einer der Erfolgsfaktoren, die wir haben, weil wir einfach das Thema Motorsport leben. Auch die Firmenkultur ist auf Motorsport aufgebaut. Ich habe hier kaum Hierarchien. Bei uns steht der Kunde im Mittelpunkt. Und ich lebe auch nicht mit Hierarchien. Klar haben wir Leute mit Titel, das ist auch wichtig. Aber für mich ist immer wichtig, dass die Sache funktioniert. Ich sage mal, beim Rennfahren ist der Rennfahrer genauso wichtig wie der, der vorn die Scheibe putzt, denn wenn der Rennfahrer nichts mehr sieht, dann kann er auch nicht mehr schnell fahren. Also alles gehört da mit dazu und das versuche ich halt hier im Unternehmen auch umzusetzen.
Johannes: Ist das auch ein stückweit das, was von Dir geprägt wird? Dieses Gefühl, dass Du sagst: „Ich möchte, dass es ja alles hier auf Augenhöhe passiert“?
Rainer: Genau das ist, was ich im Motorsport gelernt habe. Dass es sehr wichtig ist, dass es als Team funktioniert und nicht die einzelne Person. Klar steht der Fahrer immer im Mittelpunkt, aber er ist nur ein Teil des Teams. Wie gesagt, wenn die Mechaniker die Schraube nicht festziehen, dann kann der Fahrer so gut sein, wie er will. Das ganze Team gehört dazu und das versuche ich auch in unserem Unternehmen hier zu transportieren.
Johannes: Das letzte Mal, als ich hier war, hatte ich, glaube ich, einen Robin kennengelernt, der an einem Lamborghini geschraubt hatte. Das ist doch auch ein Fahrzeug, mit denen ihr Rennen fahrt, oder?
Rainer: Also wir fahren jetzt mittlerweile mit Aston Martin. Lamborghini war die Phase, wo wir Super Trofeo gefahren sind und Robin ist auch der Manager unseres Motorsport-Teams. Aber mittlerweile sind unsere beiden Söhne auch in dem Alter, wo sie Autorennen fahren können. Da fahren wir aktuell die ADAC D4. Wir sind dort mit vier Autos am Start. Also sind dort auch sehr erfolgreich. Aktuell sind wir Erster und Dritter in der Meisterschaft. Es sind noch zwei Rennen. Wir hoffen, dass wir da ein Wörtchen mitreden können in den letzten beiden Rennen um die Meisterschaft. Deswegen sind wir jetzt mit Aston Martin unterwegs und fahren auf GT-4-Fahrzeugen.
Johannes: Cool. Fährst Du selbst auch noch?
Rainer: Leider nicht mehr. Oder Gott sei Dank für die anderen. Manchmal juckt es, aber irgendwie freue ich mich, wenn die Kinder fahren. Und die können das mittlerweile besser als ich.
Johannes: Schon verrückt, oder? Dass Sie auf einmal jetzt Rennen fahren und Du sagst: Okay, das schaffe ich nicht mehr, die Rundenzeit.
Rainer: Ja, gut, bei mir ist es ja 1999 aus einer Schnapsidee geboren worden, dass man einfach mal 24 Stunden fahren kann. Aber die Kinder, die sind schon mit dem Kart groß geworden und die haben einfach ein ganz anderes Progrometer, wie ich das habe und auch jemals bekommen werde.
Johannes: Was glaubst Du, hat Dich da hingebracht, wo Du jetzt bist?
Rainer: Meine Zielstrebigkeit. Ich glaube, das ist schon eine Eigenschaft, die ich habe. Wenn ich mir was im Kopf gesetzt habe, dann versuche ich das umzusetzen. Ich gehe da nicht um den Berg herum, sondern gehe dann wirklich direkt drauf zu und ich mache das einfach. Ich überlege nicht sehr lange. Ich bin nicht derjenige, der dann erst mal einen Plan macht und alles überlegt, mit hätte, wenn und aber. Wenn ich ein gutes Gefühl habe und mir das in Kopf gesetzt habe, dann mache ich das. Ich glaube, das ist auch eine Eigenschaft, warum wir heute hier sind, wo wir sind.
Johannes: Ich glaube, das ist auch so ein wenig so eine Rennfahrereigenschaft, oder? Man muss schnell überlegen.
Rainer: Ja, man hat ja wenig Zeit zum Fahren. Man muss ja in Millisekunden entscheiden, was man da macht. Also, wenn ich große Entscheidungen treffe, nehme ich mir schon ein wenig mehr Zeit. Aber in der Regel, wenn ich ein wirklich gutes Gefühl habe, ich bin so ein Bauch-Mensch und wenn der Bauch mir sagt, das passt, dann mache ich das.
Johannes: Das Bauchgefühl ist ja das eine, aber das Analytische, das ist das andere. Hängt das bei Dir stark zusammen oder sagst Du: „Das kapsle ich für eine Entscheidung erstmal ab“?
Rainer: Natürlich überprüfen wir die Wirtschaftlichkeit von Projekten, aber ich verlasse mich mehr auf meinen Bauch als auf die Zahlen.
Johannes: Welche Eigenschaft an Deiner Frau schätzt Du denn am meisten?
Rainer: Das sie mir in guten und schwierigen Zeiten immer die Stange hält. Also, dass sie immer an meiner Seite ist und alle Entscheidungen mitträgt. Das ist wichtig.
Johannes: Wie hatte sie die Idee gefunden, als Du sagtest: „Ich lasse jetzt das BMW-Thema hinter mir und ich gehe“?
Rainer: Sie wusste ja, wie ich gelitten habe und ich habe immer gesagt, das mache ich nicht noch 40 Jahre. Zu der Zeit war ich Anfang 40 und dann sagt man sich, das halbe Leben ist vorbei. Machst Du das jetzt noch den Rest, bis es zu Ende ist? Und ja, ich bin ein solcher Mensch. Wir sind nur eine kurze Zeit hier auf dem Planeten und die sollte auch Spaß machen. Aber wenn das zur Qual wird, dann muss man was ändern. Das haben wir beide getragen und dann beide gesagt, dass wir das nicht mehr machen und deswegen sind wir den Weg gegangen. Qual ist vielleicht ein wenig übertrieben, aber ich sage mal, mir hat es keinen Spaß mehr gemacht, von der Seite her, dass ich jeden Tag gerne auf die Arbeit gehe. Es ist auch nicht immer einfach. Wir hatten auch Höhen und Tiefen, gerade in der Anfangsphase. Das war nicht immer einfach. Also mussten wir auch schauen, dass wir über die Runden kommen. Gerade Wachstum kostet irrsinnig viel Geld und wir sind ja in den letzten zehn Jahren nur gewachsen, gewachsen, gewachsen. Aber wir haben es gut gemeistert. Und wenn man Spaß bei der Arbeit hat, sind das Herausforderungen, keine Schwierigkeiten.
Johannes: Hattest Du Themen gehabt, wo Du sagst: Das hat mich jetzt ein wenig zurückgeworfen?
Rainer: Nein, eigentlich nicht. Klar, das finanzielle Thema, das beschränkt einen natürlich im Handeln, weil man gerne immer mehr Liquidität gehabt hätte, wie vorhanden war, weil einfach das Wachstum viel Geld gekostet hat. Wir haben da schon am Limit operiert, aber das hat mich nie so beeinflusst, dass ich einen Gang zurückgeschaltet habe, im Gegenteil. Das habe ich immer gesagt: Wir müssen nach vorn schauen und wir müssen noch mehr Gas geben.
Johannes: Wann ist bei Dir Stopp mit Gas geben? Gibt es da einen Punkt?
Rainer: Ich glaube nicht.
Johannes: Also willst Du noch mehr Standorte haben?
Rainer: Das will ich nicht sagen. Muss man schauen, wie die Zeit sich verändert. Der Automobilsektor ist ja gerade sehr stark in der Veränderung und deswegen haben wir auch ein paar Projekte mal auf On Hold gestellt und beobachten das Ganze mal, wie sich die Rahmenbedingungen verändern. Aber wir sind nach wie vor positiv und ich glaube, wir sind auch in dem Segment unterwegs, wo das Autofahren auch in Zukunft noch Spaß macht und alles andere wird sich zeigen.
Johannes: Du hast drei Söhne?
Rainer: Ja.
Johannes: Die sind alle hier bei Dir. Willst Du, dass sie Deinen Schuppen auch übernehmen?
Rainer: Das müssen sie selbst entscheiden. Das ist eine Entscheidung, die kann ich denen nicht abnehmen. Wenn sie das machen wollen: ja gerne. Wenn nicht, bin ich auch nicht böse drum. Sie müssen ihren eigenen Weg finden und ihn gehen.
Johannes: Hatte Dein Vater Dir gesagt, Du musst in BMW einsteigen, oder?
Rainer: Für mich war das schon als kleiner Bub immer klar. Ich kann nur Autos, was anderes kann ich nicht. Ich bin mit Autos groß geworden. Ich lebe das Thema Auto.
Johannes: Okay. Das heißt, wenn ich Dich frage: Was war Dein erster Job?
Rainer: Also, ich habe es von der Pike auf gelernt. Ich habe eine ganz normale Kfz-Ausbildung gemacht, habe dann mein Meister gemacht, habe dann noch was Kaufmännisches gemacht und habe dann 1994 den Betrieb von meinem Vater übernommen.
Johannes: Hattest Du auch Führung gelernt in diesem Prozess, während Du dort gearbeitet hast oder hast Du auch Dich dort noch mal weitergebildet?
Rainer: Also es gab von BMW eine super Ausbildung, die durfte ich machen; so eine Jungunternehmer-Nachfolge-Ausbildung. Da ist man in allen Bereichen, die den Automobilsektor betreffen, sehr gut ausgebildet worden. Das war eine Zeit, die habe ich sehr genossen, sehr viel mitgenommen, das waren tolle Trainer. Also das war wirklich perfekt, weil man auch in jeden Bereich reingeschaut hat, also ich war auch zum Beispiel am Band und durfte da mal mitschrauben. Auch im kaufmännischen Bereich ist man ausgebildet worden, im Marketing, alles, was der Automobilsektor zu bieten hat. Das fand ich super und das hilft mir heute noch.
Johannes: Hattest Du auch schon den Gedanken gehabt, dass Du ins Ausland gehst? Also aus Deutschland raus? Ich meine auch zum Beispiel geschäftlich. Man kann ja auch überlegen, ob man einen Dörr nach Wien bringt oder nach Zürich.
Rainer: Ja, also wir hatten wirklich vor, nach Wien zu gehen. Aber dadurch, dass wir halt so groß sind bei McLaren, hat uns McLaren nicht genehmigt, dass wir auch noch nach Wien gehen.
Johannes: Also dann haben sie wahrscheinlich auch Angst, von einer Person so abhängig zu sein?
Rainer: Genau. In der Position wäre man noch mächtiger, aber man muss das Ganze auch von der Herstellerseite betrachten. Wenn wir mal ausfallen, ist es natürlich für den Hersteller so, dass er das dann auffangen und wieder neu besetzen muss. Das ist natürlich eine Riesenaufgabe. Ich kann das verstehen und hab das auch akzeptiert.
Johannes: Wie viel Autos verkauft Ihr im Jahr?
Rainer: Also wir verkaufen so 500 bis 600 Supersportwagen im Jahr.
Johannes: Verrückt. Das ist eine echt krasse Zahl. Und vorher waren es 2.000 BMWs?
Rainer: Ja.
Johannes: Also ich meine, so groß ist der Unterschied ja gar nicht. Also klar, 2.000 ist noch mal das Dreifache, aber das sind ja andere Autos.
Rainer: Also umsatzmäßig machen wir heute mehr als damals bei BMW. Das ist so, aber es macht auch mehr Spaß.
Johannes: Mit wie viel seid Ihr im ersten Jahr gestartet?
Rainer: Im ersten Jahr war die Liefersituation nicht so gut. Ich glaube, wir haben im ersten Jahr 12 Autos ausgeliefert.
Johannes: Ja, Rainer, ich glaube, wir sind so weit. Wir sind am Ende. Ich möchte Danke sagen dafür, noch mal einen ganz eigenen Einblick zu bekommen. Vielleicht werde ich auch irgendwann mal den Robin oder so interviewen, weil ich glaube, diese Rennaffinität, die habe ich auch so ein wenig. Ich meine aber nicht in der Ausübung, sondern eher beim Schauen oder beim mit dabei sein. Wir werden uns noch mal hören.
Rainer: Ja, freue ich mich. Vielen Dank für Deine Zeit und ich stehe euch immer gerne zur Verfügung.
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