Gastbeiträge

Helmut Muthers

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Lesezeit ca. 4 Minuten

Wir werden älter! Na und?

Von Mitarbeitern und Kunden Ü50 profitieren

Liebe Leserin, lieber Leser,

seit fast einem halben Jahrhundert sind wir in Deutschland Teil und Zeugen massiver demografischer Umbrüche. Die Geburtenzahlen haben sich seit Mitte der 1960er Jahre halbiert. Gleichzeitig wachsen die Zahl älterer Menschen und ihre Lebenserwartung nach wie vor ungebremst. Die politischen und wirtschaftlichen Machtverhältnisse haben sich klar zu den älteren Generationen hin verschoben. Sie sind die aktuell einzigen wachsenden und reichsten Bevölkerungsgruppen. Obwohl es die dramatischen Veränderungen schon lange gibt, waren sie bisher ein Thema für Wissenschaft und Medien, aber kaum für Wirtschaft und Politik. Nach wie vor herrscht in Deutschland der Jugendwahn.

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„Im Vergleich zur demografischen Katastrophe ist der Zusammenbruch des Kommunismus unwichtig.“ (Claude Lévi-Strauss, FAZ 3. Januar 1992)

Am 10. April 2008 titelte die BILD „Die Alten übernehmen die Macht“ und beschrieb die Rentner-Republik Deutschland. Das Wahlverhalten der Älteren entscheidet die politische Richtung. Jeder zweite Wähler ist über 50, keine Partei kann ohne die Stimmen der älteren Semester Wahlen gewinnen. Ihre Bereitschaft zum Ehrenamt trägt unzählige soziale Einrichtungen.

Helmut Muthers im Club 55
Helmut Muthers im Club 55

Wenn die Menschen heute 25 Jahre länger leben als in der Mitte des letzten Jahrhunderts, dann verändert das massiv ihre Denk- und Verhaltensstrukturen sowie ihr Konsum- und Geldverhalten. Die älteren Kunden bestimmen heute die Existenz der Unternehmen in fast allen Branchen. Die frühere Formel „jung, reich und erfolgreich statt alt, arm und in Rente“, ist ein Auslaufmodell. Sie geht an den Realitäten völlig vorbei. Die Gewinnung junger Kunden reicht bei weitem nicht aus. Neue Bedürfnisse und Wünsche, Probleme und Herausforderungen sind entstanden, die es früher nicht gab, weil die Menschen schon gestorben waren. Hier zeigen sich neue wirtschaftliche Chancen, die es bisher nicht gab. Bei einem Vortrag berichtete der Zukunftswissenschaftler Prof. Dr. Horst Opaschowski:

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Nehmen wir ein Beispiel, das mir ein Hamburger Makler erzählte. Acht Rentner zwischen 62 und 92 zogen genervt aus einem Hamburger Altersheim aus und mieteten eine Villa am Ratzeburger See. Jetzt sparen sie Geld, haben was zu tun, schmieden Reisepläne. Sie haben sich im Altersheim kennen, schätzen und respektieren gelernt, es ist für sie zum Sprungbrett für ein neues Leben geworden.

Das Beispiel zeigt Chancen für Makler und Finanzdienstleister, Umzugsunternehmen und Handwerker usw. Eine Herausforderung besteht allerdings darin, dass die älteren Kunden heute deutlich anders kaufen als früher und völlig anders als junge Kunden: Wegen des Seniorentellers auf der Speisekarte wechseln ältere Gäste das Restaurant und wegen zu enger Parkplätze fahren sie Einkaufszentren gar nicht erst an. Sie sind fitter, informierter, kritischer und anspruchsvoller als alle Generationen vor ihnen. Es gilt, eine neue Ansprache und einen passenden Umgang mit selbstbewussten älteren Menschen zu finden. Es braucht bei den Unternehmen die Einsicht, dass die früher erfolgreichen Kommunikations-, Marketing- und Vertriebskonzepte keine Wirkung mehr haben. Das folgende Beispiel macht die wirtschaftlichen Risiken bei Fehlverhalten deutlich:

Eine 74-jährige Dame ist seit einigen Wochen Witwe. Ihr Mann starb kurz nach der Goldenen Hochzeit. Er hatte sich immer um die Finanzangelegenheiten gekümmert. Verunsichert geht die Dame zum ersten Mal alleine zu ihrer Hausbank. Sie legt ein Sparbuch mit einem Guthaben von 250.000 Euro vor. Es ist auf ihren Namen und den Namen des verstorbenen Ehemannes ausgestellt. Sie bittet darum, es auf ihren Namen neu auszustellen. Sie beobachtet, wie der Mitarbeiter etwas sucht und mit einem schwarzen Filzstift zurückkommt. Sie traut ihren Augen nicht, als er mit dem Stift den Namen ihres Mannes im Sparbuch einfach durchstreicht. Die Dame ist außer sich und zutiefst in ihren Gefühlen verletzt. Ihre Reaktion: Sie kündigt sofort die mehr als 40 Jahre bestehende Geschäftsverbindung mit einem Volumen von mehreren Millionen Euro – wegen eines schwarzen Strichs.

Ältere Menschen sind Konsumprofis. Sie verhalten sich höchst emotional. Das tun Jüngere zwar auch, Ältere aber aus anderen Gründen. Sie haben schon (fast) alles in ihrem Leben erfahren – als Konsumenten, Mitarbeiter, Wähler oder Unternehmer. Sie lassen sich nichts mehr vormachen und werden immer radikaler in ihren Entscheidungen. Das erste Gebot für den Umgang mit älteren Kunden ist, sie ernst zu nehmen.

Auch in den Belegschaftsstrukturen hinterlassen die demografischen Veränderungen ihre Spuren: Mangels junger Menschen schrumpft das Arbeitskräfte-Potenzial und die Altersstruktur zeigt deutlich nach oben. Aufgabe der Personalverantwortlichen ist es, die Chancen der Alterung zu nutzen und neben anderen kreativen Lösungen für einen langfristig angemessenen Generationen-Mix zu sorgen. Dabei sind Klischees die größten Hindernisse, zum Beispiel:

„Ältere gehen öfter zum Arzt.“ FALSCH: Menschen Ü50 gehen nicht häufiger zum Arzt als die unter 50. Der Unterschied zwischen den Generationen ist, dass sie aus jeweils anderen Gründen gehen. Ältere haben häufiger körperliche Erkrankungen, die Jüngeren mehr psychische Beschwerden.

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„Die Produktivität der Mitarbeiter nimmt mit zunehmendem Alter ab.“ FALSCH: Es gibt keine Studie, die das belegen würde. Es gibt jedoch unzählige Studien, die das Gegenteil beweisen. Zwar sinkt in der Regel die physische Leitungsfähigkeit, sie wird jedoch durch andere Qualitäten ausgeglichen. Eine Studie des Mannheim Research Institute for the Economics of Aging zeigt: Die Produktivität steigt mit zunehmendem Alter. In der Wissensökonomie dürfte sich dies verstärken. Hier spielen Erfahrung, soziale Intelligenz und komplexes berufliches Wissen eine größere Rolle. Auch zwischen der Motivation älterer Mitarbeiter und ihrem biologischen Alter gibt es keinen direkten Zusammenhang. Beides hat mehr damit zu tun, ob sie in ihrer beruflichen Umgebung gefördert oder blockiert werden und ob die Betriebe bereit sind, ihre besonderen Fähigkeiten aktiv zu nutzen. Denn statt sie in den Unternehmen zu halten, stehen oft immer noch frühzeitige Pensionierungen auf der personalpolitischen Agenda. Wer qualifizierte Mitarbeiter auch künftig braucht, muss seine Strategie unverzüglich anpassen.

„Die Auffassung, dass Menschen mit fortschreitendem Alter rigide werden, also die Fähigkeit verlieren, sich wechselnden Bedingungen psychisch anzupassen, und nicht mehr zu kreativen Leistungen fähig sind, ist ebenso weit verbreitet wie unzutreffend. Wer mit 60 rigide ist, war es mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits mit 30. Das Alter spielt hierbei nur eine untergeordnete Rolle. Insofern wird auch hier die Notwendigkeit eines differenzierten Altersbildes deutlich.“ (Fünfter Altenbericht der Bundesregierung, 2006)

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