Digitalisierung von Produkten verändert die Wettbewerbslandschaft
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Das Thema „Digitalisierung“ ist in aller Munde und wird breit diskutiert, von der Tageszeitung bis hin zu Fachbüchern und Digitalgipfeln. Häufig wird dabei betont, dass die Digitalisierung den Wettbewerb verschärft und dass Unternehmen agiler und innovativer werden müssen. Aber warum ist das so? Und gilt das wirklich für jedes Unternehmen?
Um diese Fragen zu beantworten möchte ich zuerst einmal zwei Aspekte der Digitalisierung unterscheiden: die Digitalisierung von Prozessen im Gegensatz zur Digitalisierung der Produkte.
Unternehmen digitalisieren schon lange ihre Prozesse.
Unternehmen digitalisieren seit Jahrzehnten schon ihre Prozesse. Dies betrifft unternehmensinterne Prozesse, zum Beispiel in der Verwaltung, in der Produktentwicklung oder in der Fertigung, aber auch Prozesse, die über das Unternehmen hinausreichen und externe Beteiligte einschließen. Beispiele für die digitale Einbindung Externer sind die digitale Zusammenarbeit mit Lieferanten zur Orchestrierung von komplexen Lieferketten, die Nutzung des Internets als direkten Vertriebskanal, sowie die Nutzung von Internet und Social Media zur Pflege von Kundenbeziehungen oder für die Personalgewinnung.
Die Digitalisierung beschleunigt die Prozesse und erhöht die Schlagzahl und die Wettbewerbsintensität in den betreffenden Branchen. Dies ist sehr gut in der Modebranche zu sehen: „Fast-fashion retailer“ wie Zara, H&M und andere haben ihre Design- und Lieferkette so organisiert, dass Modetrends extrem schnell aufgegriffen und ausgeliefert werden können. Bei Zara hängt ein neu erkannter Modetrend innerhalb von drei Wochen weltweit in den Läden und jede Woche ändert sich etwas im Sortiment. Das steht in starkem Gegensatz zu früheren Gepflogenheiten der Branche mit zwei oder drei Kollektionen pro Jahr, die jeweils monatelange Vorlaufzeiten hatten.
Früher oder später werden alle Produkte digitalisiert
Noch viel stärker sind die Auswirkungen auf die Wettbewerbslandschaft jedoch, wenn die eigentlichen Produkte des Unternehmens digitalisiert werden, wenn also Software in die Produkte selbst eindringt. Die Gartner-Analysten Raskino und Waller bringen dies in ihrem Buch „Digital to the Core“ (2015) auf den Punkt: „Every product will be digitally remastered“, also jedes Produkt wird digital erweitert und neu gedacht. Sensoren und Software werden in die Produkte eingebettet und Software kann das Produkt erweitern, zum Beispiel durch Apps, die auf das Produkt zugreifen. Davon betroffen sind auf jeden Fall alle technischen Produkte, aber auch Produkte, in denen vorher noch nie Software oder Elektronik enthalten war. Ein Beispiel von Raskino und Waller sind Tennisschläger von Babolat. Diese neuartigen Schläger enthalten leichtgewichtigen Sensoren, die sehr detaillierte Daten während des Trainings und in Wettkämpfen sammeln und sie über einen Computer oder ein Mobilgerät zur Auswertung senden. Ein anderes Beispiel sind moderne intelligente Heizungsthermostate, die per Smartphone-App angesteuert werden können. So kann die Wohnzimmerheizung auch vom Büro oder vom Urlaubsort aus überprüft und angesteuert werden.
Für immer mehr Produkte gelten die Spielregeln von Software-Märkten
Diese Digitalisierung der Produkte selbst führt dazu, dass ein immer größerer Teil des Kundennutzens durch Software bestimmt wird: durch die Software-Elemente im Produkt, durch die zugehörigen Apps oder sonstige Software-basierte Dienste wie zum Beispiel Cloud-Dienste, in denen Daten des Produkts abgelegt und ausgewertet werden. Dadurch eröffnen sich für die Hersteller der Produkte viele Möglichkeiten um ihre Produkte radikal neu zu konzipieren, ganz neuen Kundennutzen zu bieten und sich von Wettbewerbern abzuheben. Damit verändern sich aber auch die Märkte für die betroffenen Produkte.
Je mehr die Produkte durch Software bestimmt werden, desto mehr verhalten sich die zugehörigen Märkte auch wie Software-Märkte. Und in Software-Märkten gelten ganz andere Spielregeln. Nur ein Beispiel: Software-Produkte werden meist schon relativ früh mit einem begrenzten Funktionsumfang am Markt eingeführt, dann aber regelmäßig aktualisiert und in ihrem Funktionsumfang erweitert. Zumeist werden diese Aktualisierungen auch den Besitzern der alten Produktversionen angeboten, manchmal kostenlos, manchmal gegen Aufpreis. Diese Vorgehensweise führt dazu, dass sich software-basierte Produkte meist sehr schnell weiter entwickeln.
Märkte für software-basierte Produkte sind sehr dynamisch, wettbewerbsintensiv und ständig von Disruption bedroht
Daher sind auch die Märkte für software-basierte Produkte meist sehr dynamisch: Innovationen folgen sehr schnell aufeinander und manche Innovationen verursachen heftige Umbrüche in den Märkten bei denen die Riege der erfolgreichen Hersteller innerhalb weniger Jahre komplett ausgetauscht wird (Disruption). Insgesamt herrscht ein sehr intensiver Wettbewerb.
Dies illustriert sehr gut der Markt der Mobiltelefone: Nokia schaffte es, in wenigen Jahren zum weltweit führenden Mobiltelefonhersteller aufzusteigen und die Produktkategorie ”Mobiltelefon” mit vielen Innovationen ganz entscheidend weiter zu bringen. Nokia prägte auch die Produktkategorie der Smartphones mit, also von Mobiltelefonen, die nicht nur zum Telefonieren gedacht sind, sondern mit dem Internet verbunden sind und Datendienste nutzen.
Mit dem Release des ersten iPhones im Jahr 2007 jedoch etablierte Apple ein ganz neues Konzept wie ein Smartphone aussieht und benutzt wird: im Gegensatz zu den bisherigen Smartphones von Nokia oder Blackberry haben iPhones keine Tasten sondern einen Touchscreen, der die Vorderseite des Telefons fast komplett einnimmt. Und iPhones nutzen mit iOS ein Betriebssystem, das speziell für die Bedürfnisse solcher Smartphones konzipiert ist. Dieses neue Design- und Benutzungskonzept setzte sich sehr schnell für Smartphones durch, auch deswegen, da die Apple-Konkurrenten mit dem neu eingeführten Android-Betriebssystem von Google ebenfalls über eine geeignete Software-Basis für das neue Konzept verfügten.
Das neue Smartphone-Konzept zusammen mit der Verfügbarkeit einer passenden Software-Basis bewirkte eine Disruption im Mobiltelefonmarkt: Innerhalb weniger Jahre wurde die Riege der führenden Mobiltelefonhersteller fast komplett abgelöst. Aus der alten Riege konnten lediglich die koreanischen Hersteller Samsung und LG bestehen, die schnell auf das neue Telefonkonzept und auf das Android-Betriebssystem setzten. Sie bauten mit komplett neu entwickelten Smartphones ihre Marktposition stark aus. Neu hinzu kamen Apple und diverse chinesische Hersteller wie Huawei, Oppo und BBK Communications (mit den Marken OnePlus und Vivo). Die vorherigen Marktführer Nokia, Motorola, Sony Ericsson oder Siemens, sowie der Smartphone-Spezialist Blackberry, die lange auf ihre jeweils eigenen (historischen) Software-Plattformen setzten, verschwanden praktisch vom Markt. Bis heute ist der Smartphone-Markt geprägt von einer extrem schnellen technischen Entwicklung. Jedes Jahr werden viele Innovationen und Verbesserungen vorgestellt, viele davon auch durch Software ermöglicht, und es herrscht ein extrem harter Wettbewerb.
Dynamische Märkte erfordern eine regelmäßige, gründliche Markt- und Wettbewerbsanalyse
Solche kompletten Marktumbrüche (Disruptionen) sind in Märkten für software-basierte Produkte relativ häufig – sie passieren nicht nur alle paar Dekaden einmal sondern eher alle paar Jahre. Hersteller in solchen Märkten sind sich daher meist bewusst, dass sich der Markt und die eigene Marktposition sehr schnell ändern können. Von Andy Grove, dem ehemaligen Chairman von Intel gibt es hier ein passendes Zitat. Der Titel eines Buchs von ihm lautet: „Only the Paranoid Survive“. Und er meinte damit, dass man die Markt- und Wettbewerbssituation immer sehr aufmerksam, geradezu paranoid beobachten sollte.
Um sich in solchen dynamischen Märkten behaupten zu können führen die Hersteller daher regelmäßig eine gründliche Markt- und Wettbewerbsanalyse durch. Diese gründliche Analyse umfasst weit mehr als nur den Vergleich der heutigen Produkte mit den heutigen Produkten der direkten Konkurrenz. Dieser Vergleich der aktuellen Produkte ist zwar ebenfalls notwendig, aber in dynamischen Märkten bei weitem nicht ausreichend.
Die Markt- und Wettbewerbsanalyse für dynamische Märkte beginnt stattdessen mit der Untersuchung des Marktumfelds. Hierbei wird aufgrund der hohen Marktdynamik ein besonderes Augenmerk auf Trends und andere Kräfte gelegt, die den Markt absehbar verändern werden.
Erst auf dieser Basis ist erfolgt dann in einem zweiten Schritt eine tief gehende Untersuchung von Wettbewerbern und die kritische Bewertung der eigenen Wettbewerbsposition. Die Wettbewerbsanalyse muss dabei breiter angelegt werden als in stabilen Märkten: neben den bekannten und etablierten Konkurrenten werden auch indirekte Wettbewerber und andere Alternativen bzw. Substutionsprodukte untersucht und aufmerksam beobachtet. Dabei werden nicht nur die aktuellen Produkte der Wettbewerber betrachtet, sondern auch deren Strategien und in welche Richtung sie ihre Produkte weiterentwickeln wollen.
In über 25 Jahren Berufserfahrung mit software-basierten Produkten habe ich viele solche Disruptionen miterlebt. Das hat meine Einstellung geprägt, dass man sich auf einer erreichten Markposition nicht lange ausruhen kann, da sich Märkte in kurzer Zeit grundlegend verändern können. Wenn Produkte digitalisiert werden, wird sich in den betreffenden Produktkategorien auch eine viel höhere Marktdynamik einstellen, so wie es schon heute in software-basierten Produktkategorien der Fall ist. Gleichzeitig öffnet die Digitalisierung der Produkte auch die Tür für neue Wettbewerber aus anderen Produktkategorien, so wie zum Beispiel Google mit seinen Nest-Produkten in den Markt der Heimautomatisierung eindringt. In solchen Märkten ist die beschriebene Form der Markt- und Wettbewerbsanalyse, die sich auf Markttrends und Veränderungen im Markt fokussiert eine Grundvoraussetzung für jede mittel- und langfristige Planung.
Gerne unterstütze ich Sie bei der Vorbereitung und Durchführung Ihrer Markt- und Wettbewerbsanalyse!
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