Glück lässt sich importieren
Ganz in der Nähe des Pariser Zentrums betreibt Thierry Darves-Bornoz seinem Großhandel für Autowaschanlagen – familiär, stabil und vor allem fröhlich
Willst du coole Marktführer kennenlernen?
Dann folge unserem Youtube Kanal oder dem Podcast – wöchentlich neue Interviews mit Hidden Champions, wie Alois Ruf, Roland Gumpert oder Walter Mennekes.
Nach vier Jahren Jura-Studium entschied sich Thierry Darves-Bornoz, einen anderen Weg zu gehen. Export-Management war sein großer Traum. Heute leitet er sein eigenes Unternehmen in der Nähe von Paris: SPARETECH. Auf dem blau-weißen Logo prangt ein riesiger Wassertropfen. Mit Tränen hat das nichts zu tun, auch nicht mit Regen. Doch in seinem Großhandel für Autowaschanlagen kommt man früher oder später immer wieder auf das Thema Flüssigkeiten zurück.
Ich will meine Firma wie eine Familie führen. Sie soll klein, flexibel und lustig bleiben.
Das Glück ist mit den Tüchtigen. So heißt ein bekanntes Sprichwort. Keinesfalls wollen wir diesem Mann absprechen, sein Leben lang tüchtig gewesen zu sein. Mitunter seine Biografie zeigt, dass er immer wieder ausprobiert, angepackt und sich fleißig umgetan hat. Und doch schwingt so eine Ahnung mit, wenn es hier um das Thema Glück geht. Erst recht beim Blick in sein Büro: Über einer riesigen Weltkarte hängt ein hübsches und klatschmohnrotes Gebilde – offensichtlich eine wertvolle Handarbeit, mit allerlei Verzierungen an den Rändern des Quadrats, einem goldenen Kern und den vielen langen Fransen zu einer Quaste geschnürt. „Ein Glücksbringer, den ich von einem chinesischen Kunden erhalten habe“, erklärt Thierry Darves-Bornoz, in dessen Büro wir hier stehen. Also doch! Glück lässt sich importieren – zumindest dann, wenn es in Form eines Lieferantenpräsents ankommt.
Dass er sehr viel Glück im Business hatte und hat, davon ist Thierry überzeugt. Er kommt immer wieder darauf zu sprechen – wenn es um seine Firmengründung und die Mitarbeiter, seine Kunden und seine Produkte geht. Und dieses Glück sieht man ihm an – wenn der schmale Mann mit dem Drei-Tage-Bart, der dunkel umrandeten Brille und dem lässig gebundene Schal um den Hals den Kopf aus seinem Büro steckt und lächelt. Er fühlt sich sichtlich wohl – in seiner Firma, seiner Umgebung und in seiner Rolle als Inhaber und Geschäftsführer von SPARETECH.
Wir befinden uns sieben Kilometer südöstlich des Pariser Zentrums, in einer französischen Gemeinde des Départements Val-de-Marne in der Region Île-de-France: Ivry-sur-Seine heißt der kleine Ort, der stolz ist auf sein Fort d’Ivry, das im 19. Jahrhundert errichtet wurde, um die Hauptstadt mit zu verteidigen. Im Zuge der Industrialisierung wurde der Vorort zu einem Zentrum der Arbeiterbewegung, bis heute stellt die kommunistische Partei hier den Bürgermeister. Seit dem Zweiten Weltkrieg ist die Stadt ein Anziehungspunkt für Einwanderer – Menschen aus den Antillen, dem Maghreb, Indochina und Schwarzafrika machen das Bild in den Straßen und an den Geschäften vielfältig.
Dass er einmal mit einem eigenen Geschäft hier landet, hätte sich Thierry nie träumen lassen. Denn am Anfang gab es eine völlig andere Ausrichtung: das Jura-Studium. „Ich wusste nicht so recht, was ich nach dem Abitur machen soll. Die Eltern fanden die Idee gut, erst einmal eine Art grundlegendes Studium zu absolvieren und sich später zu spezialisieren“, erinnert sich Thierry. „In Frankreich gibt es einen Spruch: Jura bringt dich in jeden Job.“ Nach vier Jahren zeigte sich, dass der junge Student von dem Fach nicht sehr begeistert war. Er legte sein erstes Diplom ab und bewarb sich für ein Studienprogramm in den USA, wo es mehr um die Bereiche Wirtschaft und Marketing ging. Thierry hatte Glück: Von drei zur Verfügung stehenden Plätzen wurde er als ein Kandidat ausgewählt. „Mir war von Anfang an klar, dass ich Exportmanager werden wollte.“ Also folgte er dieser Vision in verschiedenen Firmen – schließlich dann in einem Unternehmen, das die Car-Wash-Branche bediente. Als dessen Besitzer seinen Betrieb schließen wollte, witterte Thierry eine Chance: Er gründete seine eigene Firma SPARETECH, holte seinen ehemaligen Chef als Partner mit ins Boot, kaufte das Warenlager auf und legte los.
Fallklappenautomat und Münzprüfer. Microfasertücher und Schlösserschutz. Black Mamba Handschuhe und Osmoseanlagen. Geruchsneutralisator und Druckschalter. Druckerhöhungspumpen und wasserfeste Klebstoffe. Das alles gibt es bei SPARETECH – und noch viel mehr. Mehr als 1000 Produkte umfasst das Portfolio, dazu gehören viele Kleinigkeiten wie Dichtungen, Nippel und Verschraubungen genau wie größere Anschaffungen also Turbinenstaubsauger, wasserdichte LED-Beleuchtung und Filtersysteme. Um seine Kunden zu finden, auf sich aufmerksam zu machen, Geschäftsbeziehungen zu pflegen und neue Potenziale zu generieren, ist Thierry auf Fachmessen unterwegs. In Frankfurt und Stuttgart genau wie in Italien und Frankreich, in Algerien und Dubai. Alle zwei Jahre legt er einen umfangreichen Katalog auf, über den sich die Betreiber von Waschanlagen und Waschstraßen ausstaffieren können – genau wie über den Onlineshop.
Mit Fingerzeig auf die Weltkarte hinter ihm und auf die Frage, ob er die Welt erobern möchte, lacht Thierry: „Überall zu verkaufen wäre gut. Doch in vielen Ländern gibt es schlichtweg keinen Markt. Die maschinelle Autowäsche findet zum Beispiel in Russland und Nordafrika erst so langsam Anklang.“ Doch in Europa ist Thierry ein gefragter Mann. Ohne ihn geht es nicht, wenn Autofahrer ihrem fahrbaren Untersatz hier ein Wellness-Programm verpassen wollen. Damit die Autowäsche am Fließband einwandfrei gelingt, damit Streusalz, Vogelkot und Blütenstaub verschwinden, jedes Vehikel fast wie neu glänzt und das perfekte Reinigungsergebnis dem Fahrer ein Lächeln aufs Gesicht zaubert, ist mitunter ihm zu verdanken. SPARETECH verkauft Sauberkeit – und alles, was dazu gehört.
Im Hof stehen in glänzende schwarze Folie gewickelte Gebilde, mal mit eckigen, mal mit runden Kanten, umschlungen mit weißen Plastikschnüren, fest verpackt. Im Inneren des Gebäudes ein wahres Labyrinth: Riesige Kanister mit Flüssigkeit, Werkzeugkisten und kleine braune Schachteln schlummern in den Regalen. Cockpit-Reiniger, Reifenglanzmittel, Felgen- und Kunstlederreiniger stapeln sich neben Enthärtern und Papiertüchern auf riesigen Rollen. Hinter der Leiter werden gelbe und rote Stapelboxen in unterschiedlichsten Dimensionen sichtbar. In den Kleinteilemagazinen, Sortimentskästen und Aufbewahrungskisten warten Steuerplatinen und Kabel auf ihren Einsatz. Blaue Schläuche haben sich zu Schneckennudeln eingedreht. In den halb aufgerissenen Pappkartons ist alles für den Waschplatz zu finden – von Schaumlanzen bis Rotordüsen, von Pistolen bis Tellerbürsten.
Zwischen Lager und Büro ist es ein Gewusel und Gewimmel, ein Sammelsurium und buntes Treiben. Hier ist das Team am Werk, insgesamt sechs Mitarbeiter beschäftigt Thierry derzeit. Und ist stolz darauf, dass seine Mannschaft ein fester Kern seines Unternehmens ist. Von Fluktuation hier keine Spur. Seine Mitarbeiter sind bald nach der Firmengründung dazu gekommen –und bis heute alle geblieben. „Ich hatte sehr viel Glück, die passenden Menschen zu finden. Heutzutage ist das viel schwerer. Erst im Oktober hatte ich jemanden eingestellt und nach schon drei Tagen zeigte sich, dass das nicht passte.“ Gerade in einer kleiner Firma ist das eine echte Herausforderung, nicht nur die der Lebenslauf und die Kompetenz müssen stimmen, sondern auch der Charakter. „Meine Leute müssen engagiert sein, an das glauben, was sie tun, ihre Ideen einbringen und den anderen zuhören. Gleichzeitig darf keiner sich als Alphatier aufspielen, zu sehr in die Führung gehen. Es braucht ein großes Maß an gegenseitiger Achtung.“
Das Mittagessen macht das Team jeden Tag zusammen. Auch so manches Events wird gemeinsam besucht oder absolviert: zusammen Ski fahren gehen, eine Ballonfahrt machen oder eine Bootsfahrt auf der Seine gehören zum Beispiel dazu. „Ich will meine Firma wie eine Familie führen. Sie soll klein, flexible und lustig bleiben.“ Es ist daher eine Gratwanderung für den Unternehmer: schneller wachsen oder lieber langsamer und dafür gesünder? Platz und Aufträge gibt es genug, um die Mannschaft zu verdoppeln. Welche Entwicklung ist die Richtige, auch um am Markt nicht von der Konkurrenz überholt zu werden? Wie hoch darf das Risiko sein, sich für oder gegen Wachstum zu entschieden – und zu welchem Zeitpunkt? Darüber macht sich Thierry viele Gedanken. „Mein Ziel ist nicht das Geldverdienen, sondern eine Gruppe von Leuten wie eine Familie zusammen zu bringen. Zwar steht die Arbeit im Mittelpunkt, doch es geht immer dabei um eine angenehme Stimmung und eine heimische Atmosphäre. Die Menschen, die bei mir arbeiten, sollen sich alle wohl fühlen und bleiben wollen.“
Folge deinem Weg.
Mein Vorbild:
Winston Churchill
Das wollte ich als Kind werden:
Kunstmaler
Ich sehe mich als:
Optimist!
Meine besonderen Stärken:
Flexibilität, Aktivität, Kreativität
Das zeichnet mich als Mensch und Unternehmer aus:
Wenn ich etwas im Kopf habe, dann folge ich meiner Idee – auch und erst recht, wenn jemand sagt, ich soll es vergessen. Ich bleibe hartnäckig.
Meine Firma in einem Satz:
Ein kleines Unternehmen mit guter Stimmung.
Da wollte ich von Anfang an hin:
Ich wollte zeigen und auch mich selbst davon überzeugen, dass ich eine Fima führen kann.
Der Ausgangspunkt für meinen heutigen Erfolg:
Ich bin meiner Idee gefolgt, nicht alle Kunden einzeln zu bedienen, sondern mich auf Zwischenhändler zu konzentrieren.
Ich sehe mich als Branchen-Pionier, weil:
ich sehr früh schon angefangen habe, gewisse Produkte in der ganzen Welt einzukaufen. Meine Firma ist in Frankreich und darüber hinaus bekannt.
Das bedeutet für mich Risiko:
Adrenalin
Und im Gegenzug dazu Sicherheit:
Langeweile
Mein größter Fehler:
Ich erinnere mich nicht daran, große Fehler gemacht zu haben – eher viele kleine. Es gab zum Glück nie einen Punkt, an dem ich in einer Katastrophe gelandet bin. Vielmehr habe ich die Chancen genutzt, um Fehler schnell wieder auszugleichen.
So sieht ein perfekt funktionierendes Unternehmen aus:
eine Firma, in der die Angestellten gerne arbeiten
Diese Tipps halte ich für andere Unternehmer bereit:
Ich kann keine Ratschläge geben. Jeder muss seinen Weg finden und seinen eigenen Ideen folgen.
Das bedeutet Heimat für mich:
Europa
Diesen Stellenwert hat die Familie für mich:
Ich bin der Jüngste von sechs Kindern in meiner Familie. Meine Geschwister sehe ich immer sehr gerne.
Mein Hobby:
Klavier spielen
So halte ich Körper und Geist fit:
Schwimmen und Laufen. Ich fahre auch oft mit dem Fahrrad zum Büro.
So steht es um meine Work-Life-Balance:
Schlecht. Ich arbeite wirklich zu viel und kann das nicht so leicht ändern.
Diese Methode nutze ich um mal abzuschalten:
Reisen, sowohl privat als auch geschäftlich.
An diesem Ort mache ich gern Urlaub:
Ich habe ein Haus an der Küste im Norden der Bretagne gebaut, dort kann ich mich entspannen.
Das habe ich letztes Wochenende gemacht:
Ich bin am Sontag Vormittag von der Insel Guadeloupe zurückgekommen.
Wenn ich ein Tier wäre, dann:
ein Vogel. Ich träume davon, fliegen zu können.
Meine Vision:
Ich bin 54 Jahre alt und muss noch mindestens zehn Jahre arbeiten. Mal sehen, ob ich die Firma dann verkaufe oder an meinen Sohn übergebe.
Comments are closed.