Hidden Champions

Matthias Kirchhübel

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Lesezeit ca. 17 Minuten

Die Weisheit und Erfahrung früherer Generationen für neues Wachstum und neue Möglichkeiten nutzen

Tradition ist keine Wiederholung

Unser Hidden Champion hat den Durchblick und das, obwohl er schon mal einen Stahlspan im Auge stecken hatte. Matthias Kirchhübel ist Teil der Geschäftsführung der Oculus Optikgeräte GmbH aus Wetzlar. Seit mehr als 125 Jahren stellt das Traditionsunternehmen optische Geräte her, die in der Augenheilkunde zum Einsatz kommen. Menschen ihre Sehfähigkeit zu erhalten oder gar zurückzugeben – das ist nur eine Motivation, die der Unternehmer jeden Tag mit zur Arbeit nimmt. Da ist auch die Leidenschaft für die Produkte und seine Mitarbeiter, die man Matthias in jedem seiner Sätze anmerkt. In seinem Unternehmen bemüht er sich um eine positive Fehlerkultur, die Probleme bekämpft, bevor sie richtig groß werden. Das ist nicht immer einfach.

Zum Ausgleich von seinem Beruf hat Matthias den Sport. Der junge Unternehmer ist begeisterter Triathlet und ist im vergangenen Jahr zwei Iron Mans gelaufen. Doch Triathlon ist noch viel mehr für ihn: „Der Sport hat mich Disziplin gelehrt.“ Disziplin und Führungsqualitäten sind Dinge, die Matthias im Studium nicht lernen konnte, obwohl sein beruflicher Weg für ihn schon früh klar war. Er wollte in die Fußstapfen seines Vaters treten und auch Ingenieur werden. Apropos Vater: Wie klappt eigentlich die Zusammenarbeit von zwei Generationen im selben Unternehmen? Das hat Matthias uns im Interview verraten.

Interview mit Matthias Kirchhübel

Johannes Wosilat
Gute Ideen kann man nicht erzwingen. Gute Ideen werden geboren und müssen sich entwickeln. Die Entwicklung komplexer Geräte verlangt die frühestmögliche Einbindung unabhängiger Wissenschaftler und eine hauseigene Fertigung in höchster Qualität. Die Oculus Optikgeräte GmbH mit Sitz in Wetzlar, Region Mittelhessen, ist ein weltweit tätiges Traditionsunternehmen im Bereich Augenheilkunde, was sie heute zum geschätzten Partner für Augenärzte, Augenoptiker und Arbeitsmediziner macht. Ein Familienbetrieb seit 1891 – Matthias Kirchhübel ist mein heutiger Hidden Champion und er sitzt direkt neben mir.

Fragen aus der Community

Johannes Wosilat
Wir haben in unserer Community gefragt, welche Fragen sie Dir stellen möchten. Rüdiger fragt: Wie wichtig ist Dir Tradition? Du kommst ja aus einem Traditionsunternehmen.

Matthias Kirchhübel
Dadurch, dass wir schon seit über 125 Jahren tätig sind, ist uns als Unternehmen Tradition sehr wichtig. Wenn man bei uns durch die Fertigung geht, sieht man von Hightech bis zur Manufaktur alles. Unsere Messbrille ist seit über 100 Jahren auf dem Markt. Eine weitere, nach wie vor aktuelle Brille, wird seit den 1980er-Jahren hergestellt, mit 166 Teilen und 60 Minuten Bearbeitungszeit. Alles in Manufaktur. Das geht nur mit Tradition und mit viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Insofern ist uns das sehr wichtig.

Johannes Wosilat
Aaron fragt: Was war der beste Rat, den Du je bekommen hast? Das ist meine Frage, die wollte ich später fragen. Okay, lassen wir Aaron.

Matthias Kirchhübel
Das ist immer ein wenig schwierig an dieser Stelle. Es gibt so Zeiten, in denen ich einen guten Rat immer ganz gerne entgegennehme. Sei das „Fass nicht an die Herdplatte“, als ich mal kleiner war, bis zu „Hör auf Dein Bauchgefühl“. Aber es fällt mir schwer, spontan eine Antwort zu finden. Wenn ich ehrlich bin, muss ich mal nachdenken. Ich komme dann später noch dazu.

Johannes Wosilat
Johannes fragt: Wie ist es, in einem Familienbetrieb mit in der Geschäftsführung zu sitzen, neben dem Vater und dem Bruder?

Matthias Kirchhübel
Spannend. Insgesamt muss ich sagen, dadurch, dass wir alle unterschiedliche Charaktere in der Familie sind, funktioniert das sehr gut. Meine Eltern haben an der Stelle etwas richtig gemacht. Sie haben uns früh integriert, haben uns gezeigt, worauf es ankommt, und waren auch bereit, sowohl meinem Bruder als auch mir eine lange Leine zu lassen und zu sagen: „Probiert Euch da mal aus.“ Wir durften Fehler machen und wir durften uns integrieren, wie wir wollten. Niemand war in irgendeiner Art und Weise gezwungen. Das war immer freiwillig und für mich war es während meiner gesamten Ausbildungszeit immer eine Riesenchance, das gleich in der Praxis sehen zu können. Das ist fantastisch. Aber auch das gehört dazu, sich dahin zu arbeiten, wo wir heute stehen und dann auch für sich selbst die Erfahrung zu sammeln, die man braucht, um in der Geschäftsführung tätig zu sein.

Infobox: Was ist ein Traditionsunternehmen?

Beim Thema Traditionsunternehmen gibt es keine einheitliche Definition des Begriffes. Generell versteht man darunter ein Unternehmen, welches schon Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte besteht und indem sich in dieser Zeit trotz allen Wandels eine besondere Unternehmenskultur mit eignen Handlungsmustern, Strategien, Bräuchen usw. etabliert hat. Oft handelt es sich gleichzeitig um Familienunternehmen.

Johannes Wosilat
Dirk fragt: Hast Du in der Zeit einen Mentor gehabt?

Matthias Kirchhübel
Ich hatte im Laufe meines Lebens verschiedene Mentoren. Zu meiner Schulzeit hatte ich den einen oder anderen Lehrer, der für mich ein Mentor war. Genauso in der Geschäftswelt, wo ich klar sagen muss: Mein Vater ist ein Mentor für mich, der dann auch fordert und fördert und einem auch richtige Ratschläge gibt. Aber genauso meine Mutter. Das sind in unterschiedlichen breiten Bereichen die Leute, die einem vieles mit auf den Weg geben. Auch da ist es wieder Tradition. Wenn man über 40 Jahre in der Geschäftsleitung und -führung war, bekomme ich das nicht innerhalb von zehn Jahren irgendwie auf die gleiche Kette. Ich brauchte genauso meine Zeit. Aber lustigerweise darf ich meine Eltern hierbei benennen. Das finde ich sogar schön.

Johannes Wosilat
Das heißt, Deine Mutter ist auch hier im Betrieb?

Matthias Kirchhübel
Richtig. Meine Mutter ist die Leiterin des Marketings, die schon unheimlich viele Kampagnen – unter anderem auch mit einem gewissen Johannes – gemacht hat. Das war übrigens eine der schönsten Kampagnen. Das darf ich, ohne jetzt Lorbeeren zu verteilen, sagen, wie es ist. Wir haben unsere 125-Jahr-Kampagne mit Dir gemacht und die kam unheimlich gut an. Die Ideen dahinter, wie man eine Bildmarke, eine Wortmarke weltweit etabliert, kamen von meiner Mutter, zusammen mit meinem Vater. Das hat als Team funktioniert. Darum stehen wir heute, wo wir stehen.

Johannes Wosilat
Ja, die meisten kennen die Messbrille.

Tradition ist der beste Kopierschutz

Matthias Kirchhübel
Am Ende wird die ihnen von ihrem Optiker auf die Nase gesetzt. Besser, schlechter, besser, schlechter. Wir haben wirklich eine Variante, die über 100 Jahre alt ist und wir haben die Variante, die ziemlich nagelneu ist. Diese Erfahrung, die wir in dem Bereich haben, die haben nicht viele. Also das ist auch lustigerweise am Ende der Kopierschutz Nummer 1, denn 20 Jahre Montageerfahrung in einem Produkt bekomme ich nicht so schnell kopiert. Die Monteure sitzen da und schrauben da ganz, ganz fein dran herum. Dann wieder noch mal hier nachstellen, noch mal da nachstellen, damit dieses haptische Gefühl, das der Optiker haben möchte, perfekt ist.

Johannes Wosilat
Das hast Du aber auch studiert – Maschinenbau, oder?

Matthias Kirchhübel
Ich habe Maschinenbau studiert, im speziellen Micro-Systemtechnik, also die ganz kleinen Schräubchen und Zahnrädchen und im speziellen Interferometrie, also das Messen mithilfe der Wellenlänge von Licht. Ein sehr spezielles Thema, wobei man auch sagen muss, im Studium kratzt man da an der Oberfläche. Heute haben wir in Geräten Interferometer verbaut, um die Achslänge des Auges zu messen. Man kann damit sehr, sehr präzise messen. Das ist das, was man eigentlich damit macht.

Johannes Wosilat
Du kommst aber somit auch aus dem Know-how-Bereich. Das heißt, Du hast nicht nur einfach BWL studiert und was man so eigentlich von einem Geschäftsführer erwartet, sondern Du kommst aus dem Maschinenbau, das heißt, Du kennst Dich hier thematisch hervorragend aus.

Matthias Kirchhübel
Hervorragend ist ein wenig zu viel gesagt. An der Stelle muss ich das auch ehrlich zugeben. Wir haben 150 Produkte, über 22.000 Artikel, die am Ende zusammenfließen und eine Fertigungstiefe von 80 %. Das findet sich in dem Bereich unheimlich selten. Da dann zu sagen, ich sei da wirklich in der Tiefe drin, ist zu viel. Ich kratze an der Oberfläche.
Aber was ich für mich sagen kann: Wenn es Probleme gibt, dann mag ich das sehr, dass man dann sagen kann: „Okay, Hands-on-Mentalität, ich schaue mir das Problem an, zeigt es mir. Wo ist das Problem? An welcher Schraube, wo hakt es?“ Dann sehen wir mal, wo wir da was machen können. Das verstehe ich dann auch relativ schnell und das ist die Stärke des Studiums. Aber ich würde nicht sagen, dass ich deswegen jemand aus der Forschung und Entwicklung ersetzen könnte. So weit geht es nicht.

Johannes Wosilat
Wie hast Du das Führen gelernt?

Matthias Kirchhübel
Gar nicht. Ich habe es erfahren. Das und das sind so Sachen. Führen lernen. Schwierig. Das bekomme ich in keinem Studium und keinem Lehrgang beigebracht. Viele schreiben sich das auf die Fahne, dass sie da sagen, sie waren bei einem Führungslehrgang. Aber das muss ich am Ende tatsächlich durch Erfahrung lernen. Das sind eben Sachen, die jeder auf seine Art und Weise macht. Ich bin auch noch mittendrin, auch in der Art und Weise aus meinen Fehlern zu lernen, dass ich noch besser werde.

Was war Dein größter Fehler?

Johannes Wosilat
Was hat Dein größter Fehler, den Du gemacht hast?

Matthias Kirchhübel
Ich habe als Kind in den Lötkolben gefasst. Das war ziemlich doof, aber der größte Fehler, den ich jetzt in meiner Zeit bei Oculus gemacht habe, war tatsächlich, wenn ich auf mein Bauchgefühl hören oder mich selbst erfahren wollte, um Führungsqualitäten auszubessern, dass ich immer zu lange gewartet habe. Ich weiß, es muss eine harte und nicht schöne Entscheidungen getroffen werden und dabei so lange zu warten, das war für mich mit der größte Fehler, den ich mal gemacht habe.

Johannes Wosilat
Also bevorzugst Du schnelle Entscheidungen?

Matthias Kirchhübel
Ja, wir haben wirklich den Vorteil, dass wir schnell reagieren können – in allen Bereichen. Wir haben sehr kurze Entscheidungswege und wenn die Entscheidung tatsächlich bei mir lag und ich da zu lange gewartet hatte, musste ich erst mal lernen, dass die Konsequenz, die daraus entsteht, ich trage. Das war für mich was. Aber ansonsten mag ich jeden Fehler, den ich am Ende mache, weil ich am Ende dadurch besser werde.

Johannes Wosilat
Das ist oft so. Mach ihn nur nicht noch mal.

Matthias Kirchhübel
Ich habe kein zweites Mal einen Lötkolben angefasst.

Johannes Wosilat
Das glaube ich. Wusstest Du von Anfang an, dass Du hier weiterarbeiten wirst?

Matthias Kirchhübel
Ich hatte als Jugendlicher schon auch mal eine Phase, wo ich nicht ganz sicher war. Aber insgesamt wollte ich immer Ingenieur werden, auch wenn ich damals vielleicht nicht ganz verstanden habe, was ein Ingenieur macht. Aber ich wusste, mein Vater macht das und der war immer so jemand, der einfach viel verstanden hat, der hat irgendwie immer eine Antwort gehabt und deswegen war es für mich immer erstrebenswert. Ich habe aber dann zwischendrin nicht damit gerechnet, dass ich das wirklich durchziehe. Während meiner Ausbildung und zu Studienzeiten habe ich auch immer die Chance bekommen, hier in der Montage, beim Service oder in der Werkstatt mitarbeiten zu können und war dadurch auch immer viel in der Praxis unterwegs. Da war für mich klar, dass ich da mithelfen möchte. Daher war schon relativ früh klar, dass ich das machen möchte.

Ein guter Rat mit Bedeutung

Johannes Wosilat
Was war der beste Rat, den Du je bekommen hast?

Matthias Kirchhübel
Wir kommen wieder zu der Frage. Der Mensch sollte sich nicht immer so ernst nehmen. Das ist ein Rat, der für mich sehr stark war und ein zweiter Rat, den ich bekommen hatte: Tu Recht und Du brauchst Dich vor nichts zu fürchten. Das ist eine Sache, die für mich als so eine Art Slogan immer wichtig war.

Johannes Wosilat
Mit einem reinen Gewissen?

Matthias Kirchhübel
Eben: Das, was ich tue, das mache ich wirklich mit dem besten Wissen und Gewissen und auch wenn dann ein Fehler dabei ist, ist das überhaupt kein Thema für mich zu sagen: „Hier, mea culpa!“ Das ist auch so eine Philosophie, die wir in der Firma selbst haben. Fehlerkultur muss gelebt werden.

Johannes Wosilat
Das führt ja auch dazu, dass man schneller reagieren kann, wenn irgendetwas passiert, als wenn man es verdrängt und nicht spricht oder es verspätet aufkommt. Dann ist es ein richtiges Problem.

Matthias Kirchhübel
Eben. Für mich ist das größte Problem, das ich an der Stelle immer sehe, dass ich – oder auch mein Vater oder mein Bruder –, immer dann gerufen werde, wenn das Kind im Brunnen schon halb ertrunken ist, und das macht es dann oft schwer, noch schnell eine Lösung zu finden, anstatt uns frühzeitig zu informieren, wenn irgendwo ein Problem ist. Das liegt in der Natur der Sache. Ich verstehe das an der Stelle auch, wünsche mir aber und arbeite daran, dass das anders wird, weil ich mir denke, wir sind mit der Fehlerkultur so offen, dass jeder mit einem Problem zu uns kommen darf: „Ich habe hier vergessen, was zu machen oder zu bestellen oder …“ Da bekommt bei uns niemand den Kopf abgerissen, sondern wir fragen uns: „Wie bekommen wir den Prozess besser hin? Das ist etwas, damit kämpfen wir jeden Tag.

Johannes Wosilat
Wenn Du über ein Lebensmotto nachdenkst, welches würde zu Dir passen?

Matthias Kirchhübel
Das Leben hat viel zu bieten, gib dich nicht mit wenig zufrieden. Es ist einfach so: Wenn ich etwas erreichen möchte, dann muss ich etwas dafür tun. Ich kann nicht passiv sein. Wenn ich irgendwas erreichen will, dann muss ich aktiv sein. Wenn ich mich mit wenig zufriedengeben möchte, mag das für manche Leute okay sein. Das ist auch in Ordnung, es ist aber einfach nicht mein Ding. Wenn ich längere Zeit vor einem Fernseher sitze, dann bekomme ich einen Koller. Ich kann da einfach nicht lange sitzen und untätig sein. Ich muss irgendetwas tun und ich habe für mich selbst gemerkt: Wenn ich das mache, dann geht es auch relativ weit. Ich kann dann auch zurückschauen und sagen, das, was ich in dem Moment erreicht habe, war nicht schlecht. Das zieht sich bei mir eigentlich durch das komplette Leben, sei das im Geschäftlichen, sei das im Privaten. Das ist ein Credo, nach dem lebe ich sehr stark.

Johannes Wosilat
Fällt Dir die Verantwortung leicht, die Du hast?

Matthias Kirchhübel
Mal so, mal so. Je nachdem, welche Entscheidung man treffen muss. Wenn man da irgendwo eine Entscheidung in Richtung Mitarbeiter-Benefit trifft, dann fällt es mir leicht, wenn man harte Entscheidungen treffen und die dann erklären muss, ist das immer schwer. Da hat man dann eine kurze Nacht. Aber insgesamt komme ich damit gut klar.

Johannes Wosilat
Bist Du dann mehr mit dem Kopf unterwegs oder eher emotional?

Matthias Kirchhübel
Tatsächlich beides. Es sind viele Dinge, da bedingt das Emotionale ein bisschen das andere.

Johannes Wosilat
Erst mal das Faktensammeln und Abwägen und dann das emotionale Entscheiden?

Matthias Kirchhübel
So ist es. Gerade auch, wenn man sagt, man muss ein Produkt kündigen oder so was. Das ist dann so, wenn ein bisschen das Herz dranhing. Jetzt kenne ich den einen oder anderen Monteur auch schon etwas oder war mit dem einen oder anderen Service-Techniker auf der Straße. Das wird tatsächlich richtig emotional. Nicht umsonst bezeichnet der eine oder andere sein Produkt auch als sein Baby.

Viele Mitarbeiter bleiben dem Traditionsunternehmen treu

Johannes Wosilat
Das erklärt auch, warum Ihr hier so viele Jubilare habt. Ich meine, wenn man sich nicht mit dem Produkt identifiziert, ist wahrscheinlich die Absprungrate höher. Wenn man aber so tief drin ist und das Produkt liebt und zu 100 % versteht, dann ist es schon etwas, was man nicht missen möchte.

Matthias Kirchhübel
Gerade, wenn man bei uns ins Produktmanagement schaut, sind diejenigen, die ihre Produkte betreuen, weltweit bekannt wie bunte Hunde. Die sind überall unterwegs und kämpfen für das Verständnis von dem, was man da sieht und in der Diagnostik einsetzt. Was wir natürlich auch haben: Unsere Geräte sind sehr, sehr beratungsintensiv, das heißt, die eine Sache ist es, die Messtechnik herzustellen, die andere Sache ist es aber, den Kunden das am Ende so zu erklären, dass sie dann auch entsprechend richtig diagnostizieren können oder die richtigen Entscheidungen treffen, wenn es um die OP-Planung geht und so weiter. Das ist ein unermüdlicher Kampf von allen im Unternehmen, sei es die Entwicklung, sei es der Produktmanager, sei es der Servicetechniker oder ein Außendienstler. Das ist an der Stelle ein Riesenteam. Auch das Marketing, die Messages und die Kampagnen, die wir da starten, die zielen dann immer darauf ab – sei es auch mal provokativ –, dass die Kunden nachfragen und am Ende mit einem Aha-Erlebnis aus solchen Meetings rausgehen.

Johannes Wosilat
Ich verstehe vollkommen, dass Ihr diese Detailtiefe braucht. Ich habe mal eine Augenoperation fotografiert und das ist schon wahnsinnig detailliert und da geht es ums Augenlicht. Wenn man da Dinge dem Zufall überlässt, ich weiß nicht. Dann hat man vielleicht ein wenig zu tief geschnitten oder so.

Matthias Kirchhübel
Ja, wenn die Intraokularlinse verhakt, ist das nicht so gut. Es ist schon so, wenn man dann dem einen oder anderen erklärt, wie so eine OP abläuft, das hat so ein Geschmäckle, wenn das am Auge ist. Das ist nun mal mein Fenster zur Welt und das ist das wichtigste Sinnesorgan, das der Mensch besitzt und da wird jeder empfindlich. Das Riesenproblem ist: Wenn ich da etwas habe, tut das selten weh, eigentlich nie. Es sei denn, ich habe dann einen Stahlspan im Auge oder Ähnliches. Das habe ich mal gehabt, das tut dann auch weh. Aber wenn das Augenlicht schlechter wird, gewöhne ich mich daran oder wenn ich einen Ausfall habe, bekomme ich das nicht mit, weil mir meine Augen zwei Bilder liefern, die übereinandergelegt werden, das wird einfach aufgefüllt und ich bekomme überhaupt nicht mit, dass ich da was habe. Wenn das dann zu spät diagnostiziert wird, dann habe ich gegebenenfalls ein Problem. Wir haben ein Riesenproblem damit, dass wir eigentlich viel zu selten die Leute, die es wirklich brauchen, vor so einem Gerät haben.

Johannes Wosilat
Ich habe mal beim Schweißen gefilmt und es hieß immer: „Guck nicht rein!“, und ich habe nicht reingeguckt, ich habe in die Kamera geguckt. Das Problem war, dass die Augen trotzdem erwischt wurden – seitlich. Also es kommt nicht darauf an, wo man hinsieht, sondern ob das Auge an sich dem ausgesetzt ist. Also, das sind Schmerzen, muss ich sagen.

Matthias Kirchhübel
Schweißen ist dazu prädestiniert. Bei mir war das mit dem Stahlspan auch beim Schweißen, trotz Schutzbrille. Also der ist irgendwie durch einen kleinen Spalt reingekommen und wenn man mal so eine Corneafräse erlebt – die Cornea ist die Hornhaut – so eine spitze Nadel, die da reingeht, das ist nicht so cool. Das ist schon so, aber ja, schweißen ist prädestiniert. Also da wirklich auf die Augen achtgeben, denn ich habe nur ein Paar davon. Das muss bis ans Lebensende halten.

Johannes Wosilat
Ja, ich hätte das niemals gedacht, es kam so verspätet. Ich habe auch immer nur gemerkt, dass ich eine raue Haut habe und dann hatte ich eine Verbrennung.

Matthias Kirchhübel
Ja, das ist wie Sonnenbrand.

Johannes Wosilat
Das war das Erste, was ich gespürt habe, und abends konnte ich meine Augen nicht mehr öffnen. Das war, als ob Sand drin wäre. Da habe ich meinen Augenarzt auf dem Handy angerufen und habe gefragt: „Was ist das?“

Matthias Kirchhübel
Da wird man schnell panisch, nicht wahr?

Johannes Wosilat
Wahnsinnig panisch. Ich habe gesagt: „Ich bin blind, ich kann meine Augen nicht öffnen.“ Dann hat er gesagt: „Ibu, schlafen legen, morgen ist vorbei.“ So war es dann auch. Aber dieser Moment, wenn man auf einmal die Augen nicht mehr aufmachen kann, das war schon krass.

Matthias Kirchhübel
Das ist genau der Punkt. Wenn man dann irgendwann merkt: „Okay, ich habe jetzt wirklich was“ und ich registriere für mich selbst, dass da was ist, ist es leider oft schon spät. Bei dem einen oder anderen kann man auch dann noch was machen. Die Katarakt-OP ist immerhin die weltweit häufigste OP. Wenn dann die Linse irgendwann trüb wird, wird die entfernt und dann wird eine Intraokularlinse eingesetzt. Man schaut wie durch Milchglas und man sieht gar nichts und einen Tag später kann man raus und sieht wieder. Das, was die Ärzte einem berichten, ist immer sehr emotional. Je nachdem wie lange ich dann gewartet habe, und auf einmal sehe ich wieder was. Das ist schon spannend.

Was treibt ein Traditionsunternehmen an?

Johannes Wosilat
Treibt Euch das auch an?

Matthias Kirchhübel
Ja, das ist aber auch eine der Sachen, die wir auch generell in der Branche häufig hören, etwa von einem Optiker, der mit einer Brille dafür sorgt, dass Menschen besser sehen. Da gibt es Videos mit Kleinkindern, die ganz schlechte Augen haben und die bekommen eine Brille auf und sehen zum ersten Mal ihre Mama. Das ist unfassbar emotional, weil die Kinder so überrascht sind. Die haben ja nie anders sehen können. Wahnsinn! Das ist eine tolle Motivation, dass man sagt, wir haben hier wirklich einen Beitrag, den wir gesellschaftlich leisten können. Das ist genau das, was ich auch immer so etwas forciere, wenn ich Mitarbeiter neu einstellen will: Ihr sorgt alle dafür, dass Leute besser sehen können. Das ist die Aufgabe, die wir an der Stelle haben und das motiviert immens.

Johannes Wosilat
Wenn Du jemanden gerne kennenlernen möchtest, eine Persönlichkeit, wer wäre das?

Matthias Kirchhübel
Ich weiß nicht. Da fallen mir auf jeden Fall relativ viele Menschen ein. Also spontan hätte ich gesagt, ich hätte mich gerne mal mit der Queen unterhalten. Das war für mich eine Person, die unheimlich viel erlebt und gesehen hat und trotzdem noch so einen Humor hatte. Also das hätte mich schon mal interessiert, wie die so als Mensch war.

Infobox: Was sind die Stärken von Traditionsunternehmen?

Traditionsunternehmen sind nicht nur schon lange am Markt etabliert und genießen einen guten Ruf, sondern heben sich auch stark von neueren Konkurrenten ab, da sie über eine sehr individuelle Unternehmenskultur verfügen, die über Jahrzehnte gewachsen ist. Das sorgt auch für eine starke Identifikation der Mitarbeiter mit dem Betrieb. Traditionsunternehmen scheinen überdies für Kunden vor allem dann attraktiv zu sein, wenn es sich um Familienunternehmen handelt. Die Ursache liegt wahrscheinlich darin, dass der Geschäftspartner greifbarer erscheint als das bei einem großen Konzern der Fall ist.

Johannes Wosilat
Was ich immer so bemerkenswert finde, wenn man die 70, 80, 90 oder 100 Jahre erreicht, muss man ja unglaublich viel erlebt haben. Ich meine, ich kann jetzt nur auf ein paar Jahre zurückblicken und da ist schon so viel passiert. Du bist Jahrgang ‘85. Wir sind ja sehr behütet aufgewachsen. Was war bei uns? Der Mauerfall, aber das haben wir nicht mitbekommen, wir waren zu klein. Aber danach? Was war da?

Matthias Kirchhübel
Corona ist jetzt, glaube ich, die erste bemerkenswerte Konfrontation, die wir miterleben.

Johannes Wosilat
Die auch Einschränkungen für das eigene Leben bringt.

Matthias Kirchhübel
Ja. Ich habe auch immer wieder gesagt, wir sind im Luxus groß geworden und die Generation, die vor uns da war, die vor uns die Geschicke gelenkt hat, die hat jegliche Arbeit gemacht, die waren wertschöpfend, die waren pünktlich. Das sage ich auch immer wieder zu den Leuten, die bei uns durch die Firma laufen und mich auf Automation und so was ansprechen. Das war damals eine andere Moral, weil die einfach wussten, was es hieß, ein Land aufzubauen oder was es hieß, nichts zu haben. Da kann ich überhaupt nicht mitreden. Das bekomme ich in meiner Generation immer wieder mit. Wenn ich da irgendwo eine Arbeit habe, die ein wenig repetitiv ist, dann mache ich das zwei Wochen und dann habe ich keine Lust mehr und dann gehe ich. Also muss ich an der Stelle irgendwann in Richtung Automation gehen, denn diese Jobs, die sind nach wie vor wichtig, aber es wird immer schwieriger, Leute zu finden, die die Muße haben, sie mit bestem Wissen und Gewissen zu machen. Das war auch in der vorigen Generation, meiner Ansicht nach, einfacher. Das schreibe ich, offen gestanden, dem Umstand zu, dass es uns zu gut geht.

Johannes Wosilat
Ja, glaube ich auch. Hast Du Hobbys?

Matthias Kirchhübel
Ich bin Triathlet. Schwimmen, Radfahren, Laufen – auf lange Distanzen.

Johannes Wosilat
Hast Du den Ironman gemacht?

Matthias Kirchhübel
Ich habe letztes Jahr zwei Ironmans gemacht, in Frankfurt und in Florida.

„Mein Sport hat mich Disziplin gelehrt“

Johannes Wosilat
Aber da brauchst Du eine wahnsinnige Disziplin, oder?

Matthias Kirchhübel
Dadurch habe ich Disziplin gelernt. Das ist der Witz bei der Geschichte. Jeder, der Marathon läuft oder der Langstrecke macht, kommt irgendwann an den Punkt, wo der Körper nicht mehr kann, und dann muss der Kopf arbeiten, da muss das Mindset da sein, um zu sagen: „Jetzt gehe ich da drüber!“ Triathlon ist am Ende wirklich mehr eine Art Lebensstil, als dass es einfach nur ein Hobby ist. „Ich spiele Badminton.“ Das habe ich früher mal gemacht. „Ich bin Triathlet.“ Ich stehe morgens sehr, sehr früh auf. Ich muss das ja auch mit dem, was ich hier mache, irgendwie verbinden. Da passiert es dann tatsächlich schon mal in einer hohen Trainingsphase, dass ich vor dem Frühstück einen Halbmarathon laufe.

Johannes Wosilat
Ich habe gar nicht mehr so viele Fragen. Informationen, die mich noch interessieren: Du bist auch noch nicht so alt, aber was würdest Du anderen Jungen auf den Weg geben? Mit jung meine ich Leute, die vor der Entscheidung stehen, ins Unternehmertum oder in ein Familienunternehmen einzusteigen. Was würdest Du denen mit auf den Weg geben? Ein Tipp oder ein Gedanke?

Matthias Kirchhübel
Wichtig ist, dass man auf sich selbst hört und auch dann vor allem ehrlich zu sich selbst ist. Also wenn ich dann nicht hundertprozentig sicher bin, dass ich dahinterstehe und das auch wirklich will, dann macht es auch nicht so viel Sinn. Dafür muss man brennen. Doch auch da gibt es immer wieder Momente, in denen man an sich selbst zweifelt. Genau da muss man dann mit sich selbst kämpfen und dann drüber gehen. Das ist entscheidend.

Johannes Wosilat
Da dann wahrscheinlich auch mehr aus dem Bauch heraus?

Matthias Kirchhübel
Das ist immer wichtig. Das Bauchgefühl ist der beste Kompass, den man hat.

Johannes Wosilat
Was ist für Dich Risiko?

Matthias Kirchhübel
Risiko ist für mich letzten Endes das, was ich bei dem einen oder anderen Unterfangen eingehen muss. Nicht alles, was wir an Entwicklungen machen, für was wir uns selbst entscheiden, wird vom Markt angenommen. Das ist ein Risiko, das wir dabei gehen müssen. Gerade wenn wir jetzt unser Hauptprodukt, die Pentacam, nimmt. Ich habe mal gedacht, mein Vater spinnt, als er erzählt hat, was sie da vorhaben, und dass es gut ist, wenn sie vielleicht 10 oder 20 Geräte im Jahr verkaufen. Mittlerweile sind wir bei 1.000 Geräten im Jahr. Damit hätte an der Stelle keiner gerechnet und das ist ein Risiko, das man einfach eingehen muss und wo man an ein Produkt zu glauben hat. Wenn man dann weiß, wir haben eine Technologie, die uns was bringt, die bringt uns wirklich weiter. Dieses Risiko, das ist schon etwas, das man abwägen muss, aber das muss man auch einfach mal eingehen. Mein Vater hat das vorgemacht. Mal gucken, was mein Bruder und ich dann noch machen dürfen.

Johannes Wosilat
Dann habt Ihr das Gerät aber schon auf den Markt gebracht, bevor es eigentlich gebraucht wurde?

Matthias Kirchhübel
Ja, wir haben mit den Geräten Sachen sichtbar gemacht, die man vorher an der Stelle nicht sichtbar machen konnte. Das war am Ende wirklich, wenn man dann vor Geräten saß …

Johannes Wosilat
Ist das die Geschichte mit den Achsen?

Matthias Kirchhübel
Ne, die AXL kann die Achslänge an und für sich messen. Sonst haben wir noch – steht gerade nicht hier – den Myopia Master, der die Myopie-Progression bei Kindern betrachtet. Also das ist auch eine ganz entscheidende Sache, die Baulänge des Auges, die betrachtet werden muss, denn das Auge wächst, bis ich 19 Jahre alt bin und da habe ich noch Einflussmöglichkeiten. Das heißt, die normale Körperhaltung junger Menschen ist ja heute diese hier, wenn man sich dann das Handy dazu vorstellt. Das will auch nicht jeder hören, aber genau das sorgt dafür, dass Jugendliche immer schlechtere Augen haben und kurzsichtig sind. Um das genau messen zu können, brauche ich die Achslänge. Da kann man aber auch im Follow-up schauen. Wenn ich sage: „Geh mehr ins Freie und sie zu, dass Du ein wenig mehr Sonnenlicht abbekommst“ oder man spezielle Brillengläser hat oder, im Worst Case, dann auch Medikation einsetzt. Bringt das was oder nicht? Das sind wirklich auch Beratungs-Tools, die da mit drin sind.
Im Corvis haben wir sogar eine High-Speed-Kamera drin, mit der gehen wir mit einem Luftimpuls aufs Auge und mit der High-Speed-Kamera haben wir den kompletten Prozess sichtbar gemacht. Das hat man vorher nicht gesehen. Es ging darum, den Augeninnendruck zu messen, aber dann konnte man plötzlich sehen, wie sich die Hornhaut beim Auge verhält, wenn man mit einem Luftimpuls draufgeht. Da saßen wir am Anfang auch erst mal dran: Was macht man damit? Mittlerweile kann man damit biomechanische Eigenschaften erschließen. Wir haben auch da einen, der sehr für sein Produkt brennt. Das ist gigantisch, dann auch zu sehen, was der damit in den vergangenen Jahren weltweit erreicht hat – mit den Erkenntnissen, die man aus diesen Geräten gezogen hat. Das entwickelt sich ja immer weiter. Die erste Pentacam ist 20 Jahre alt und heute noch im Einsatz. Die neueste Generation ist in der Pipeline für Ende des Jahres. Schauen wir mal, dass wir auch da weiterkommen. Wie mein Vater schon gesagt hat: „Stillstand bedeutet Rückschritt. Geht weiter!“

Johannes Wosilat
Geil. Letzter Satz, letzte Frage: Was bedeutet für Dich Sicherheit?

Matthias Kirchhübel
Wie kann ich sie herstellen? Das ist für mich an der Stelle entscheidend. Aber die Sicherheit habe ich nur bis zu einem gewissen Grad, ich habe auch immer Unsicherheit. Also ich versuche eigentlich, dass der Grad der Sicherheit hoch ist, aber garantieren kann ich es nicht. Wer hätte am Anfang von Corona sagen können, wie die nächsten Jahre werden? Relativ schwierig. Da war dann entscheidend, unseren Mitarbeitern die Sicherheit zu geben, dass der Job bleibt. Das ist ganz entscheidend.

Johannes Wosilat
Matthias, vielen Dank!

Matthias Kirchhübel
Danke Johannes!

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