Der Uhrmacher
Von der Uhrmacherschule zum Unternehmer eines antiken Uhrengeschäfts
Rolex, IWC, Breitling, Omega oder Cartier. Diese riesigen Hände arbeiten an feinsten Uhrwerken, drehen an Schräubchen, die für unsereins fast nicht sichtbar sind. Sechs Jahre Ausbildung in der Schweiz, begeisterter Rennfahrer auf einem Porsche 356 und ein begnadeter Skifahrer ist er obendrein. Er hat eine Leidenschaft für die schönen Dinge im Leben und führt sein Unternehmen in der 6. Generation. Mein heutiger Gast ist Thomas Eder von Antike Uhren Eder aus München.
Interview mit Thomas Eder
Johannes: Rolex, IWC, Breitling, Omega oder Cartier. Diese riesigen Hände arbeiten an feinsten Uhrwerken, drehen an Schräubchen, die für unsereins fast nicht sichtbar sind. Sechs Jahre Ausbildung in der Schweiz, begeisterter Rennfahrer auf einem Porsche 356 und ein begnadeter Skifahrer ist er obendrein. Er hat eine Leidenschaft für die schönen Dinge im Leben und führt sein Unternehmen in der 6. Generation. Mein heutiger Gast ist Thomas Eder von Antike Uhren Eder aus München. Hi Thomas, schön, dass ich hier bin.
Thomas: Ich grüße dich. Servus.
Johannes: Wie können diese großen Hände Schrauben, die ich nicht einmal sehe, in ein Uhrwerk packen.
Thomas: Na ja, so wahnsinnig groß sind sie jetzt auch wieder nicht. Aber dafür hat der liebe Gott die Pinzette erfunden. In jeder Hand eine Pinzette. Und schon ist es eigentlich überhaupt kein Problem, die Schraube in die Uhren zu bekommen.
Johannes: Wie viel Teile stecken in so einer Uhr?
Thomas: Ich würde sagen, in der normalen Armbanduhr, Automatik zerlegt, 100-150 Teile. Eine richtig komplizierte Taschenuhr mit Kalendarium, Chronograf und Repetition auch gerne mal 1000 Teile.
Johannes: Brauchst du dafür eine Anleitung?
Thomas: Inzwischen nicht mehr. Nach bald 30 Jahren ist es okay, da kriege ich das so hin. Aber bei einer ganz komplizierten Taschenuhr mit wahnsinnig vielen Teilen, dann macht man so ein Grüppchen. Das heißt, du wählst erst mal das Gewerk, dann wird die Repetition gereinigt, anschließend kommt das Kalendarium und der Chronograph. Alles in einem Haufen wäre ein heilloses Chaos, damit würdest du nicht klarkommen. Wenn die Schraube zu lang ist, drückt sie dir unten einen Hebel ab. Das muss man schon ganz genau und sortiert machen.
Johannes: Das stelle ich mir schon sehr, sehr kompliziert vor. Hast du das öfters, dass du eine Uhr komplett zerlegen musst?
Thomas: Ja, jedes Mal, du kommst zu mir, möchtest deine Uhr gereinigt haben, weil das Öl alt ist und was alle paar Jahre gemacht werden muss, damit das alte Öl nicht die Zahnräder kaputt macht. Ähnlich wie in einem Motor. Wenn der Kolben kein frisches Öl mehr hat, dann macht er den Zylinder kaputt. So ist es bei der Uhr auch, also wäscht man das alte Öl raus. Da muss jedes Einzelteil zerlegt werden, dann bauen wir es wieder zusammen und es wird immer an den richtigen Stellen geölt.
Johannes: Wie viele kannst du an einem Tag auseinander bauen und zerlegen?
Thomas: Kommt darauf an, wie kompliziert die sind. Aber ich sage mal, so normale Drei-Zeiger-Uhren schon 3-4 Stück am Tag. Wenn es natürlich komplizierter wird mit Chronograph und Kalendarium, dann wird der Tag schon kurz für so eine Uhr.
Johannes: Ab wann ist eine Uhr eine antike Uhr?
Thomas: Wenn zum Beispiel Rolex mit den Flexi-Gläsern aufhört. Ende 70er, Anfang 80er-Jahre und zum Saphirglas übergeht oder zu Mineralglas. Da mache ich die Grenze. Ich mache alles, was vorher ist, so bis Anfang 80er-Jahre. Und da höre ich dann auf, da gibt es genügend Andere, die damit arbeiten. Aber bei den alten und Vintageuhren ist es ja kein reines Teile austauschen wie in einer modernen Uhr, sondern es gibt ja nicht mehr so wahnsinnig viele Ersatzteile. Da du musst du auch mal was anfertigen, was reparieren, oder was umbauen. Um sich da ein bisschen abzusetzen von einem normalen Uhrengeschäft, höre ich da auf.
Johannes: Als die Uhren noch klein waren, eigentlich.
Thomas: Es war eine Kunst, die möglichst klein zu bauen, nicht möglichst groß.
Johannes: Wie war das damals, bevor du in die Selbstständigkeit gegangen bist? Da sind ja so einige Sachen passiert. Dein Vater hatte dich in die Schweiz geschickt. Was ist dann passiert?
Thomas: Im zarten Alter von 15 Jahren wurde mir der Vorschlag gemacht, dass ich jetzt in die Schweiz auf eine Uhrmacherschule gehen könnte, um dort das Handwerk des Uhrmachers zu erlernen. Die Idee fand ich eigentlich ganz witzig. Man hat mir bloß nicht gesagt, dass das alles auf Französisch ist. Ich wurde dann ein paar Wochen vorher recht blauäugig auf eine Volkshochschule geschickt. Französisch-Grundkurs, den ich mehr oder weniger regelmäßig besucht habe. Dann stand ich in einem kleinen Schweizer Bergdorf auf 1100 Höhenmetern, in einer großen Aula voll mit Menschen. Und nicht ein einziger konnte Deutsch. Kein Lehrer, kein Schüler, niemand. Im ersten Lehrjahr waren zwei Leute in der Klasse. Das war so die Mitte der Achtzigerjahre. Das war die Quarzuhrkrise. Die mechanische Uhr war eigentlich tot, und alles lebte nur noch von Quarzuhren.
Johannes: Das sind die digitalen Kleinen.
Thomas: Genau, die mit Batterie laufen. Da sagte ich zu meinem Vater: Bist du wahnsinnig? Warum Uhrmacher? Kein Mensch braucht mehr einen Uhrmacher. Das wird ausgetauscht, weggeschmissen, neues Werk, fertig. Und er war der Meinung: Nein, gerade auch für alte Uhren, alte Taschenuhren muss man Uhrmacher sein. Ich erst vier Jahre in der Schweiz auf der Uhrmacherschule und zu zweit in der ersten Klasse. Da kannst du nicht abschreiben. Das ist ein Problem. Aber bald wurde es ein bisschen besser. Da waren wir so fünf, sechs Leute. Dann war auch die Klasse ausgereizt und das habe ich vier Jahre gemacht bis zum Meister. Anschließend bin ich in ein Museum gegangen, auch in der Schweiz, und habe zwei Jahre Restaurator gelernt. Also wirklich nur rein für alte antike Uhren, Hebel anfertigen, Räder fräsen. Und so weiter. Aber wenn mal einer kommt mit einer antiken Wanduhr, wo ein Zahnrad kaputt ist, dann muss man das halt aus dem Vollen rausschneiden, fräsen, wieder schenkeln und feilen. Das gehört dazu. Das ist der Job.
Johannes: Du wolltest bestimmt in der Schweiz bleiben. Aber was ist dann passiert?
Thomas: Ich hatte natürlich schon die Idee, auch nach sechs Jahren Schule, dass ich dann am besten nach Genf gehe und dort zu Patek Philippe, Rolex oder sonst irgendwas und dort mich austoben und das Leben genieße. Aber mein Vater war der Meinung, nachdem er jetzt sechs Jahre für mich in eine Ausbildung investiert hat, wäre es schon gescheiter gewesen, wieder nach Hause zu kommen. Den Beruf bin ich dann gefolgt.
Johannes: Und bereut?
Thomas: Nein, keine Minute. Also klar der Anfang war schwierig. Erst wirst du von zu Hause weggerissen in die Schweiz, da neue Leute, dann wieder hierher, wieder neue Leute. Aber es war die beste Entscheidung. Ich habe dann hier meine Werkstatt aufgemacht, habe für meinen Vater und andere Geschäfte erst mal nur repariert und bin dann langsam ins Geschäft reingewachsen. Und nach fünf Jahren hat mein Vater beschlossen, er hört jetzt auf, hat mir den Geschäftsschlüssel in die Hand gedrückt, hat gesagt: Jetzt ist es deins, mach, viel Spaß. So bin ich zu meinem Geschäft gekommen und ins kalte Wasser geschmissen. Aber es war die einzig vernünftige Idee.
Johannes: Und du warst natürlich auch perfekt ausgebildet, oder?
Thomas: Ja, das auf jeden Fall. Also die Ausbildung war schon gut, aber man muss fairerweise sagen, in einer Schule lernt man meistens an reparierten Uhren, die dann zu zerlegen und wieder zusammenzubauen. Und was in den Laden reinkommt, ist ja in der Regel eine kaputte Uhr. Also das Fehlersuchen war ein Problem, aber auch das lernt man irgendwann.
Johannes: Was ist wirklich die beste Uhr, die man erwerben kann? Eine persönliche Frage jetzt.
Thomas: Da gibt es sicher verschiedene Meinungen.
Johannes: Ich meine, du hast ja schon viele Uhrwerke gesehen.
Thomas: Ja, also bei alten Uhren ist es auf jeden Fall Patek Philippe, was mit ganz vorn dabei ist. IWC hat super Uhren gemacht. Omega hat ein Spitzenuhrwerk gemacht. Bei den modernen Uhren denke ich mal, sind es so Patek Philippe, Lange und Söhne und dann gibt es ganz viele Kleinserien Hersteller, die kaum jemand kennt, die auch auf einem Niveau arbeiten. Das ist wahnsinnig, kostet aber auch dementsprechend dann Geld.
Johannes: Hast du Namen als Beispiel?
Thomas: Ach, es gibt Hersteller wie Debor Debra, die fertigen zum Beispiel Kalenderaufbauten, unter anderem für die großen Marken. Clare macht Kleinserienuhren, da gibt es viele. Da ist man im siebenstelligen Bereich.
Johannes: Okay, da steckt wahrscheinlich auch viele Monate Arbeit drin.
Thomas: Sogar Jahre.
Johannes: In einer Uhr?
Thomas: Ich meine Patek Philippe hat eine Taschenuhr gebaut, mit 26 Komplikationen. Die könnte ich gar nicht alle aufzählen, so viele sind es. Aber die Uhr hat dann auch auf der Auktion 9 Millionen Franken gemacht oder so. Da geht es nur darum, zu zeigen, was man kann.
Johannes: So wie wahrscheinlich Bugatti.
Thomas: Genauso.
Johannes: Eine Kleinserie rausbringt.
Thomas: Wie der Chiron oder sonst irgendwas, der 440 fährt und kein Mensch braucht es.
Johannes: Was war denn der beste Rat, den du je bekommen hast?
Thomas: Mein Vater hat mal zu mir gesagt: Sei immer ehrlich, mach nie die Bürgschaft und nehme nie einen Wechsler aus zweiter Hand an! Ich glaube, das war ein ganz guter Rat. Ich bin toi, toi, toi noch nie in die Schwierigkeiten gekommen, was Finanzen betrifft. Ich habe mich nie zu weit aus dem Fenster gelegt. Dieses bodenständig bleiben, das ist schon ganz gut. Das hat mir schon immer sehr geholfen im Leben.
Johannes: Also keine Bürgschaft, die du vergibst an jemanden?
Thomas: Genau. Kein Auswechsler aus zweiter Hand. Wenn jemand was zahlen will. Vergiss es. Früher hat man gesagt: Bares ist Wahres. Das gibt es ja inzwischen relativ wenig. Aber ich glaube, es gibt ein altes Sprichwort. Erst wenn das Geld in der Kasse klingt, die Seele aus dem Feuer springt. Also erst zahlen, dann mitnehmen.
Johannes: Macht ja auch Sinn.
Thomas: Ja, das ist so.
Johannes: Wer weiß, ob die Person wiederkommt. Und was war für dich persönlich die wichtigste Entscheidung?
Thomas: Die wichtigste Entscheidung war sicherlich, den Beruf des Uhrmachers anzunehmen oder zu lernen. Ich habe angefangen, mir in jungen Jahren etwas Geld in den Ferien dazuzuverdienen als Zimmermann. Fand ich einen Superjob. Ich wollte mal mit Holz arbeiten. Das riecht gut. Du siehst, was du geschaffen hast, wie ein Traumjob gewesen. Dann meinte aber meine Mutter, ob ich mir das gut überlegt hätte oder ob ich nicht doch eher auf diese Uhrmacher Schule gehen möchte. Das war sicherlich die beste Entscheidung, die ich fällen konnte.
Johannes: Ich meine, für mich glaube ich auch ein wahnsinnig schöner Beruf.
Thomas: Wenn ich mal nicht am Boden knie und wieder irgendeine Schraube suche, die runtergefallen ist, dann ist das ein ganz toller Beruf.
Johannes: Meine Geduld ist leider sehr begrenzt. Ich glaube, deswegen wäre das ein Problem für mich.
Thomas: Meine auch. Besonders beim Autofahren. Am Werktisch geht es, das ist in Ordnung. Also ich weiß, wenn ich da jetzt durchdrehe, dann fange ich ganz von vorne an. Nein, das ist okay, ich mache es ja auch gerne, es macht mir Spaß und ich sage immer, ich möchte kein Arzt sein für krebskranke Kinder. Das ist wahnsinnig ehrenwert und toll. Aber ich könnte mit der Belastung nicht umgehen. Zu mir kommen eigentlich in der Regel Menschen, die wollen sich was Schönes kaufen, die haben Spaß an was Schönem, die genießen das und das ist schon ganz angenehm.
Johannes: Was war dein größter Fehler?
Thomas: Ja, da gibt’s jetzt mehrere Antworten. Vielleicht war mein größter Fehler, nicht zur rechten Zeit Geld in gewisse Uhren investiert zu haben. Aber wenn man es immer vorher wüsste, wäre es einfach. Dann wüsste ich heute, was ich morgen kaufen muss. Ich bin immer relativ vorsichtig und das ist wahrscheinlich ein Fehler. Man müsste ein bisschen mehr Mut haben und einfach mal was kaufen auf gut Glück. Irgendwie geht das schon.
Johannes: Wenn du die Zeit jetzt um fünf Jahre zurückschrauben würdest? Welche Uhr würdest du kaufen?
Thomas: Wenn man es wüsste, dann müsste man natürlich alles Geld, was man damals hatte, was nicht immer unbedingt viel war, in Patek Philippe Nautilus, Aquanaut oder bei Perregaux auch investieren. Rolex war schon immer relativ hoch. Das alte Thema Daytona, die Uhr war vor 20 Jahren schon teuer. Aber hätte man vor fünf oder zehn Jahren mal einen sechsstelligen Betrag, ein bisschen in Patek Philippe Nautilus investiert. Würde man jetzt verkaufen, dann hätte man wahrscheinlich weniger Sorgen im Leben.
Johannes: Das ist verrückt, oder? Ja, aber es hat sich ja eigentlich nichts geändert. Es hat sich nur in Nachfragen vermischt.
Thomas: Mein Vater hat sich Anfang 2000 noch mal eine Patek Phillipe Nautilus gekauft. Die hat damals 10.000 Franken gekostet. Die ist heute wert um die 180.000 oder 190.000 Franken.
Johannes: Man muss auch dazu sagen, 10.000 Franken war auch nicht wenig.
Thomas: Ja, das ist heute noch viel Geld.
Johannes: Klar, jetzt sind die Preise natürlich das Zwanzigfache, 190.000 Franken.
Thomas: 10.000 € oder Franken, da muss eine alte Frau lange Stricken für. Auch ich schmeiße die nicht einfach mal so auf den Tisch, weil ich mir das dann schon überlege. Wenn man wüsste, was man für einen Gewinn daraus resultieren kann, dann hätte man es natürlich anders gemacht. Man hätte natürlich auch Wohnungen in München kaufen müssen oder, oder, oder. Also da gibt es ja vieles oder bestimmte Autos. Nicht bei jedem sitzt das Geld ganz so locker und ist im Überfluss da.
Johannes: Ist es für dich erklärbar, warum zum Beispiel die Patek Philippe um diesen Preis gestiegen ist? Hat die, wenn du auf das Uhrwerk guckst, eine Berechtigung, diesen Preis abzurufen?
Thomas: Ja, Patek macht das schon sehr gut, gar keine Frage. Das ist schon qualitativ ganz hochwertig. Aber Rolex macht auch nichts Schlechtes. Es kann sich ja keiner leisten, ein Klump herzustellen. Ich glaube bei so Firmen wie Patek oder auch bei Rolex, da macht es zum einen die Begehrlichkeit aus und die begrenzte Verfügbarkeit. Und ja, der Vorteil an den Uhren ist natürlich auch. Es ist klein, es nimmt nicht viel Platz weg, du brauchst keine Garage, du musst nicht zum TÜV damit und du musst auch nicht dafür die Wand hergeben, weil da ein Bild hing. Das ist einfach etwas Praktisches und dementsprechend wird die Begehrlichkeit glaube ich weiterhin steigen. Und man muss ganz ehrlich sagen, das ist ja eines der wenigen Schmuckstücke, die man hat. Eine Krawattennadel trägt kein Mensch mehr und mit einer Uhr bist du immer schön angezogen. Da hast du drei Stück. Eine Goldene, eine Stählerne und etwas Sportliches. Perfekt, damit kommst du durchs Leben und ich liebe Menschen, die mehr als drei Uhren haben, übrigens.
Johannes: Ich hätte auch eine Uhr anziehen sollen.
Thomas: Hätte ich allerdings auch.
Johannes: Du trägst auch keine, stimmt.
Thomas: Ich bleibe immer irgendwo hängen, komme dagegen und es ärgert mich so. Das Erste, was ich mache, ist, wenn ich ins Geschäft komme, die Uhr ablege und dann liegt die unten und ist aufgeräumt.
Johannes: Du fährst Rennen?
Thomas: Ja.
Johannes: Mit was?
Thomas: Ich habe einen alten Porsche 356 aus den 50er-Jahren. Und mit dem bewege ich mich so drei, vier Mal im Jahr auf der Rennstrecke und versuche, möglichst viel Spaß zu haben, ohne irgendwas kaputt zu machen. Also, ich weiß, in der heutigen Zeit ist das Thema Autorennen vielleicht nicht mehr ganz so opportun. Aber das bisschen, was wir da fahren, das gönne ich mir. Das ist mein großes Hobby, mein großer Spaß.
Johannes: Ich würde auch, ohne mich jetzt zu weit aus dem Fenster lehnen zu wollen, sagen, dass das Auto nachhaltig ist.
Thomas: Das Auto ist nachhaltig, wie übrigens meine Uhren auch.
Johannes: 50er Jahre, sagst du.
Thomas: 1959 ist der.
Johannes: Das sind einfach 70 Jahre.
Thomas: Alt, aber bezahlt.
Johannes: Also, wenn das nicht nachhaltig ist, weiß ich auch nicht. Und viermal im Jahr auf der Rennstrecke. Das ist völlig in Ordnung.
Thomas: Einmal im Urlaub fliegen ist schlimmer.
Johannes: Wahrscheinlich, ja. Wie kommt man denn durchs Leben?
Thomas: Ich persönlich sehr gut. Wie du siehst, es reicht um noch das ein oder andere Schnitzel zu viel zu essen. Also, es ist soweit okay. Nein, also ich habe einen Beruf. Von dem, glaube ich, viele träumen würden. Ich stehe nicht bei BMW am Fließband und schraube Kotflügel fest, sondern ich habe jeden Tag mit unterschiedlichen Menschen zu tun, mal positiv, mal negativ. Ich mache etwas, was ich gern mache. Ich habe Spaß an der Technik und es ist auch schön, was zu kaufen, herzurichten, zu restaurieren und wieder zu verkaufen. Eigentlich habe ich schon den Traumjob erwischt, muss ich sagen.
Johannes: Toll. Also bist du glücklich?
Thomas: Ja. Es reicht leider nicht, um sich ein schönes Haus zu kaufen. Aber wir kommen gut durchs Leben.
Johannes: Man kann auch in einem 356er-Porsche schlafen.
Thomas: Nein, das kannst du nicht. Also, ich schon. Aber meine Frau würde mir meinen Kopf abreißen.
Johannes: Auf dem Dach, meine ich. Ich stelle mir es gerade ein bisschen vor, wie das aussehen würde.
Thomas: Wir waren letztes Jahr beim Campingplatz und da stand ein kleiner Mini Cooper mit so einem Zelt obendrauf. Faszinierend. Damit kann man Urlaub machen.
Johannes: Wenn man das möchte.
Thomas: Wenn man es möchte. Ich möchte es nicht und meine Frau auch nicht.
Johannes: Was hältst du denn von dem Spruch. Schuster, bleib bei deinen Leisten?
Thomas: Na ja, das ist ja ein altbewährter und sehr sinnvoller Spruch. Du hast ja auch deinen Beruf von der Pike auf gelernt. Wenn du sagst, ich mache morgen ein Lokal auf und bin ein Koch, dann ist das sicherlich eine Bombenidee. Aber ob das funktioniert? Wahrscheinlich eher schwierig. Und so wie ich sechs Jahre lang in der Schweiz gebuckelt habe, um den Beruf zu erlernen, macht es ja nur Sinn, da dabei zu bleiben. Warum sollte ich jetzt umschwenken? Ich muss ja nicht. Toi, toi, toi, es läuft ja. Wenn du Sorgen hast und ein Geschäft funktioniert nicht mehr, du Buchdrucker bist, dann musst du überlegen, ob du umschwenkst wahrscheinlich. Aber toi, toi, toi. Meine Uhr ist voll im Trend. Es ist eine Wertanlage, ein sicheres Geld, was man zu Hause hat. Ich glaube nicht, dass ich demnächst Angst haben müsste, dass keiner mehr eine Uhr will und keine mehr repariert werden muss.
Johannes: Weißt du, was ich spannend finde. Du hattest vorhin gesagt, es gab diese Quarzuhrkrise.
Thomas: Ja.
Johannes: Das heißt, da stand ja mal vom Gefühl her deine Perspektive auf der Schippe.
Thomas: Ja, total. Also wie gesagt, als ich angefangen habe. Wir waren zwei Leute im ersten Lehrjahr. Das ist ein Witz. Zwei Menschen, die den Beruf Uhrmacher lernen wollen. Ich muss zugeben, momentan in Furtwangen oder in Würzburg schaut’s auch nicht so dolle aus. Der Nachwuchs schwächelt etwas. Es war so weit, dass man der Meinung war, man baut nur noch billige Quarzwerke in die Uhr ein und wenn die kaputt sind, schmeißt man die raus und macht ein neues rein. Hat Patek Philippe aber genauso gemacht wie bei der Nautilus mit Quarzwerk. Wenn das kaputt ist, kann ich es nicht mehr reparieren. Und schau dir mal Cartier Tank an. Millionen sind mit Quarzwerk geliefert worden. Das repariert ja keiner. Das schraubt einer auf, schmeißt es weg und macht ein neues hinten rein. Es ist doch viel, viel einfacher. Man muss aber nicht Uhrmacher sein, sondern da reicht die dreimonatige Ausbildung wahrscheinlich.
Johannes: Aber dennoch gab es auch eine Zeit danach. Alois Ruf hat gesagt, es gab mal dieses. Ich weiß nicht, in welche Jahre das war eine Ölkrise in den 70er, glaube ich, wo kein Benzin für Autos zur Verfügung stand.
Thomas: In der Zeit hat auch BMW den 292 Turbo gebaut. 1974 müsste es gewesen sein, der zwar ein tolles Auto war, aber zur völlig falschen Zeit. Das war die Zeit der autofreien Sonntage. Das war lang vor deiner Zeit. Mich gab es da schon. Ich war da vier. Ich kann mich noch an die Bilder im Fernsehen erinnern, wie Menschenmassen auf der Autobahn spazieren gegangen sind. Weil am Sonntag durfte man nicht Auto fahren.
Johannes: Und auch da stand die Perspektive von Alois Ruf auf der Schippe. Also von der Firma Ruf, weil man nicht wusste, wie wird es weitergehen. Natürlich hat man gesagt: Bestellt ruhig die Fahrzeuge. Aber auch die Zeit ging eben vorbei. Also ich finde es immer schwierig, so radikale Entscheidungen zu treffen, wenn eine Krise da ist.
Thomas: Ja, gut, das hast du im Berufsleben. Wie war es bei dir in der Coronazeit? Du musstest auch Entscheidungen treffen. Was passiert? Was mache ich? Wie geht es weiter? Du hast auch keine vollen Auftragsbücher gehabt, plötzlich Mitte 2020.
Johannes: Stimmt. Gibt es denn schon etwas, was du noch nicht gemacht hast, aber schon immer machen wolltest?
Thomas: Nein.
Johannes: Du genießt dein Leben.
Thomas: Ich genieße mein Leben. Ich habe angefangen vor vielen Jahren. Bin zehn Jahre lang mit dem Motorrad am Enduro gefahren, durch die Pyrenäen und alles. Das fand ich super. Dann bin ich zehn Jahre lang mit einem Oldtimer Rallyes gefahren und jetzt fahre ich gerade Rennen. Also du siehst, da muss immer irgendwo ein bisschen Benzin mit dabei sein. Das macht mir einfach unheimlich Spaß. Aber ich möchte nicht Segelfliegen, auch nicht Fallschirmspringen. Also ich muss zugeben, ich bin rundum glücklich, so wie es ist.
Johannes: Sechste Generation. Wie wird es weitergehen? Gehst du in die Siebte?
Thomas: Die siebte Generation macht gerade hier in München bei einem sehr renommierten Uhrengeschäft die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann erstmal und hat erfreulicherweise wahnsinnig viel Spaß damit. Aber ich glaube nicht, dass er in die Uhrmacherreihe reingeht. Also sicherlich wird er mit Uhren was machen, aber das wird kein Uhrenrestaurator.
Johannes: Sicher?
Thomas: Ganz sicher. Also, ich liebe meinen Sohn über alles.
Johannes: Aber du würdest dich freuen, oder?
Thomas: Ich würde mich sicherlich freuen, aber. Ein guter Verkäufer, der sich mit seinem Job auskennt, ist genauso wichtig und braucht auch einen guten Uhrmacher an seiner Seite. Ich mache auch nicht alles selbst. Du musst nicht alles können, sondern du musst nur jemand kennen, der es kann. Dann bist du auf der sicheren Seite. Ein guter Koch hat auch sein Saucier, sein Patissier oder sonst irgendwas. Also warum nicht verteilen? Nur gemeinsam ist man stark.
Johannes: Ja, die Frage, die beantworte ich eigentlich selbst. Aber ich stelle sie trotzdem. Was hältst du denn von Perfektionismus?
Thomas: Also Perfektionismus ist in meinem Beruf natürlich extrem wichtig
Johannes: 180 %.
Thomas: Weil ein Fussel in der Uhr und das Ding bleibt stehen. Wenn du dann nicht perfekt, sauber und ordentlich arbeitest, dann hast du nur Ärger und Reklamationen. Das geht nicht. Also es macht auch keinen Sinn in die Werkstatt zu gehen, wenn du den Kopf nicht frei hast. Da musst du wirklich 100 % bei der Sache sein, weil sonst machst du es dreimal.
Johannes: Deswegen machst du es wahrscheinlich auch am Wochenende, oder?
Thomas: Du bist jetzt die ganze Woche hier im Laden. Abends mache ich dann noch ein bisschen Internet und frühstücke unsere Internetseite. Mir bleibt fast nur der Sonntag, wo ich dann zumindest meine eigenen Uhren mache, die ich gekauft habe, die ich dann restauriere und herrichte und ein bisschen Kundenuhren. Da erlaube ich mir auch das rauszupicken, was mir natürlich Spaß macht. Aber ansonsten, die Woche hat nun mal sieben Tage und mehr geht nicht.
Johannes: Wie viele Stunden arbeitest du?
Thomas: Genügend. So 30-35 Wochenenden im Jahr.
Johannes: Von nichts kommt nichts.
Thomas: Ich kaufe die Uhren. Dann muss ich die natürlich erst mal komplett zerlegen, reinigen, überholen. Anschließend muss ich die Gehäuse aufarbeiten. Du nimmst sie mit, machst Bänder hin, dann muss ich den ganzen Bumms fotografieren, was ja für mich kein so schönes Thema ist wie für dich wahrscheinlich. Als Nächstes muss ich sie ins Internet stellen, muss die Uhren bearbeiten, muss die Texte schreiben. Das nimmt ja auch schon unheimlich viel Zeit weg. Und dann hast du nur noch die Uhren vom Herrn Dr. Müller, die er aber die nächste Woche wieder braucht. Es macht Spaß, aber manchmal nervt es natürlich auch. Dann holen sie die Uhr wochenlang nicht ab. Aber das ist in jedem Beruf das Gleiche. Das Gleiche wird dir der Schuster erzählen.
Johannes: Wahrscheinlich, ja. Was ist deine schönste Erinnerung?
Thomas: Die Zeit in der Schweiz. Diese sechs Jahre, die waren schon unglaublich schön. Das war so ein total freies Leben. Jetzt keine Sorgen. Die Eltern haben die Schule bezahlt, haben das Haus bezahlt. Wir haben in einem Jugendhaus gelebt. Das war eine Hälfte Mädel, eine Hälfte Jungs. Da gab’s was zum Essen, da wurde die Wäsche gewaschen. Das war super. Da war ich 16, 17, 18. Du hast keine Sorgen gehabt. Nachrichten haben mich auch nicht so wirklich interessiert. Also, das war schon die allerschönste Zeit. Wobei ich natürlich die Zeit mit meiner jetzigen Frau nicht missen möchte, muss ich sagen.
Johannes: Welche Eigenschaft deiner jetzigen Frau schätzt du am meisten?
Thomas: Ach, dass sie mich liebt mit Haut und Haaren, so wie ich bin. Das finde ich ganz toll. Also, ich möchte mich nicht zu Hause haben, aber sie ist ganz begeistert und ich glaube, beim zweiten Mal hatte ich wirklich mehr Glück. Die liebt mich so wie ich bin, macht alles mit, lässt mir meine Freiheiten und ich darf Auto fahren. Sie meckert auch nicht, wenn ich am Sonntag in die Werkstatt gehe. Eine ganz tolle Frau.
Johannes: Cool. Womit hast du dein erstes Geld verdient?
Thomas: Wie ich vorhin erwähnt habe, als Aushilfe in den Sommerferien, in den Pfingstferien in der Zimmerei.
Johannes: Okay, stimmt.
Thomas: Da habe ich dann gelernt, mit Maschinen umzugehen, Dachstühle bauen. Das war anstrengend, aber man hat als Jugendlicher mit 12,13,14 Jahren schon die ersten DM verdient.
Johannes: Was sind die nächsten Schritte in den nächsten fünf Jahren? Was wirst du verändern?
Thomas: Ich hoffe möglichst wenig. Ich bin sehr zufrieden, so wie es läuft. Ganz oben auf der Agenda steht, bessere Fotos zu machen.
Johannes: Dabei kann ich dir helfen.
Thomas: Das ist mein großes Problem. Ich würde es gern so erhalten, wie es ist. Dann wäre ich schon sehr zufrieden. Also nicht schlechter als jetzt.
Johannes: Wie alt bist du eigentlich?
Thomas: Ich bin relativ jung. Nein Spaß, ich bin schon 52 Jahre alt. Ich bin das 70er-Baujahr.
Johannes: Cool. Aber du bist auch ein positiver Mensch.
Thomas: Prinzipiell, ja. Also, wie du merkst, ich habe Spaß am Leben. Ich genieße schönes Essen, gerne mal ein Glas Wein und da bin ich schon sehr positiv. Aber du brauchst dir nichts denken, wenn mal hier drei Wochen lang nichts los ist, dann werden wir alle verhungern. Ich werde nie wieder eine Uhr verkaufen. Panik ist riesengroß.
Johannes: Echt, ist es so?
Thomas: Ja, furchtbar. Meine Frau sagt immer: Jetzt beruhig dich, jetzt komm wieder runter. Also, man hat Existenzängste, obwohl es gar nicht notwendig ist. Aber wenn nicht dieser ewige Fluss hier ist, das habe ich nicht gern. Also ich habe es schon ganz gerne, wenn Menschen mich besuchen kommen.
Johannes: Du bist ja auch jemand, der sehr menschenfreundlich ist, oder?
Thomas: Ich bin Bayer. Ich weiß nicht, ob der Bayer an sich ein menschenfreundlicher Mensch ist. Das würde ich jetzt mal nicht behaupten. Ich kann auch schon sehr stoffelig sein.
Thomas: Wie sagtest du?
Thomas: Stoffelig sagt man in Bayern so. Wenn wir auf Feste gehen und ich kenne da 50 % der Menschen, dann rede ich nur mit den 50 %. Die anderen 50 interessieren mich nicht, ganz im Gegensatz zu meiner Frau. Die ist offen, die quatscht mit jedem, egal wo wir hinkommen, die lernt auch 1000 Menschen kennen. Mein Freundeskreis ist noch der gleiche seit 20 Jahren, wenn ich meine Frau nicht hätte.
Johannes: Okay. Was hältst du denn von Risiko?
Thomas: Da bin ich leider nicht stark. Wie ich schon sagte, hätte ich mehr Mut zum Risiko, hätte ich früher Geld in andere Sachen investiert. Ich bin, glaube ich, ein sehr vorsichtiger Mensch. Also ich überlege auch gut, ob ich das mache oder nicht mache. Und jetzt mal da schnell eine große Summe ausgeben auf gut Glück. Das würde bei mir nicht passieren.
Johannes: Ja, aber dafür bist du stetig auch immer in deinem Ding drin. Das heißt, die Konzentration, der Fokus ist schon absolut.
Thomas: Ja. Uhren sind mein Leben. Das ist gar keine Frage. Seit ich 15 bin.
Johannes: Was für Uhren hast du?
Thomas: Meine Frau sagt, ich habe 20 Uhren und 19 davon schauen genau identisch aus. Also leider habe ich einen sehr einfachen Geschmack und muss durch mein Gewicht ja auch die etwas größeren Uhren tragen. Aber in der Regel sind sie aus Stahl und haben ein schwarzes Zifferblatt.
Johannes: Echt?
Thomas: Ja, ganz, ganz langweilig. Das ist das, was mir am besten gefällt. Also, ich finde alle meine Uhren wunderschön. Und du siehst ja, ich kaufe ja verschiedenste Couleur, aber zu Hause ist es schon immer die ganz einfache Uhr.
Johannes: Wie kommst du an die Uhren? Werden sie dir angeboten oder kaufst du sie auch im Internet ein?
Thomas: Ja, im Internet ist schwierig. Eine Uhr im Internet zu kaufen, da kann man schon gut auf die Nase fallen. Es kommt natürlich ein bisschen was in den Laden rein. Die wollen was verkaufen, weil sie es geerbt haben, weil sie es nicht mehr haben wollen. Verkaufen drei Uhren, weil sie sich eine teurere kaufen wollen. So bekomme ich ein bisschen was. Und dann habe ich wahnsinnig viele Kollegen, die mit neuen Uhren handeln. Und da kommen ja auch wieder Menschen, die wollen ihre alten Uhren in Zahlung geben und sagen: Was mache ich damit? Also ruf ich dann da an, sage: Du, ich habe hier eine alte IWC, eine Omega. Magst du das haben? Und dann habe ich natürlich auch Händler im Ausland, die wissen, mit was ich arbeite, was in Deutschland gut geht und schicken dann per Email Fotos und sagen: Ich habe hier fünf Uhren. Ist da was für Sie dabei?
Johannes: Okay. Wie hast du deine Händler aufgebaut? Kommen die auch noch aus deiner Zeit?
Thomas: Da kommen ein paar her. In der Branche kommt auch viel Junges nach. Und Alte gehen. Man kennt sich einfach. Man sieht sich auf Messen, Börsen, Auktionen. Man trifft sich beim Uhrmacher oder, oder oder. Da kommen dann die Kontakte zustande.
Johannes: Okay, spannend. Also hast du auch ein starkes Netzwerk?
Thomas: Ja, das brauchst du. Ich habe kein so starkes Netzwerk wie viele andere. Klein, aber fein.
Johannes: Und das ist das, was du hier drin widerspiegelst.
Thomas: Ja, mein zweites Zuhause.
Johannes: Cool. Vielen Dank.
Thomas: Ich sage Danke. Hat mich sehr gefreut. Hat Spaß gemacht.
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