Hidden Champions

Holger Zulauf

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Lesezeit ca. 5 Minuten

In 30.000 Transporten stecken 30.000 Geschichten

Holger Zulauf betrachtet das Unmögliche als Herausforderung: Sein Unternehmen SamedayLogistics behebt Logistik-Notfälle binnen kürzester Fristen – und auch beim Firmenchef muss es in allen Lebenslagen stets dynamisch und agil zugehen

Ob Hilfsgüter oder Hundestaffel, Schrauben für die Automobilindustrie oder Füllfederhalter mit Diamanten. Ob in den Dschungel oder in die Wüste, nach Grönland oder auf eine Inselkette am Südrand des nordpazifischen Beringmeers. Holger Zulauf liefert Güter binnen kürzester Frist in entlegenste Orte rund um den Globus. Mit seinem Unternehmen SamedayLogistics ist er der angesagteste Notfall-Logistiker der Branche. Entstanden ist die Geschäftsidee aus einer Zufallsbegegnung. Heute sind seine On-Board-Kuriere betriebsame Helfer, die Ziele in Europa innerhalb von maximal acht Stunden, die USA in maximal 18 Stunden und den Rest der Welt in 28 Stunden erreichen.

Ich habe Zufälle, die sich im Leben geboten haben, genutzt. Und ich habe meine Ideen mit Beharrlichkeit und Überzeugung verfolgt.

„Houston!“ Da, schon wieder: „Houston!“ Irgendwo kracht eine Autotüre zu. „Komm jetzt hierher, Houston!“ Dann wieder Stille. „Wo waren wir?“ Hat Houston gerade ein Problem? „Nein, nein. Ich komme gerade mit meiner Familie hier in Garmisch Partenkirchen an. Wir wandern jetzt gleich gemeinsam hoch zur Hütte. Und Houston ist mein Labrador.“ Zeit für ein Telefonat ist da immer noch. Zeit ist Geld – für niemanden könnte dieser Kalenderspruch besser passen als für Holger Zulauf. Dynamik und Schnelligkeit sind seine zentralen Alleinstellungsmerkmale – und er selbst ist weltweit viel unterwegs. Mal mit der Familie und mal für seine Firma.

Holger Zulauf mit Weltkarte im Hintergrund

Die Revolution des Transportgewerbes auf internationaler Bühne – das war Zulaufs Vision. Der gelernte Reiseverkehrskaufmann, der im kleinen elterlichen Betrieb das Travel Management verantwortete, ging ausdauernd, hartnäckig und nachhaltig auf dieses Ziel zu. In der Nähe des Frankfurter Flughafens angesiedelt, kümmerte er sich erst um touristische Aufträge, dann um den Firmenreisedienst. Erste Kontakte zu Logistikern und Spediteuren besaß er bereits, als sich eine völlig neue Marktnische eröffnete: die Notall-Logistik. Jede Lieferung braucht einen Warenbegleitschein und macht das Handling komplizierter Dokumente notwendig. Warum also nicht einmal unkonventionelle Logistiklösungen entwickeln und bis dato unbekannte Transportwege ausprobieren? Wenn die Ware unmittelbar beim Menschen bleibt und als Passagiergepäck deklariert wird, sollte der Transport von A nach B unkomplizierter und schneller möglich sein – so Zulaufs Idee. Die Transportaufgabe und die dazugehörige Dienstleistung erledigt ein Kurier, während die Ware lediglich mit der Rechnung und den Papieren verzollt wird. Zu diesem innovativen Business kam der junge Unternehmer vor 20 Jahren durch einen Zufall…

Hand von Holger Zulauf am Telefon

In einer hessischen Apfelweinkneipe ist Holger Zulauf an diesem Abend mit einem Geschäftspartner verabredet. Als der erscheint, ist er schlecht gelaunt und nervös. Er berichtet von einer logistischen Misere: Eine Kiste Schrauben sei irgendwo unterwegs stecken geblieben, von der Airline nicht richtig befördert worden, so dass die Kleinteile anderswo ankamen als am Erfüllungsort. Irgendwo neue Schrauben einkaufen – ein Ding der Unmöglichkeit, denn in der Automobilindustrie sind alle Bestandteile nach bestimmten Qualitätsrichtlinien hergestellt und zugelassen. „So ein Teilchen hat zwar nur einen Warenwert von Cent, aber eine Tragweite von Millionen Dollar. Denn die Produktion bei diesem Autohersteller ruhte, weil die Schrauben nicht da waren.“ Kurzerhand machte sich Zulauf in Sachen Handels- und Zollrecht schlau, kümmerte sich um die Luftfrachtpapiere und schickte seinen Cousin im Flieger nach Mexiko – mit den Schrauben im Handgepäck. Ein cleveres Geschäftsmodell war geboren.

Holger Zulauf von SamedayLogistics nachdenkend

„Over-Night-Lieferungen müssen genügen.“„So etwas klappt doch nie.“„Dafür gibt es keinen Bedarf.“ Das braucht doch keiner. Mit solchen und ähnlichen Argumenten sah sich Zulauf anfangs konfrontiert. Allen Unkenrufen der Branche zum Trotz verfolgte er seine Geschäftsidee beharrlich weiter. Die Existenzgrundlage sicherte er anfangs noch durch die Tätigkeit im Reisebüro. „Bedarf wecken und dann die Menschen vom Angebot überzeugen – das ist der Weg zum Erfolg.“ Erste Gehversuche und eine Vorreiterrolle, dann die Marktführerschaft: In der Zeit des Millenniums erlebte die SamedayLogistics GmbH einen regelrechten Boom. Während die industriellen Hersteller zunehmend ihre Lagerhaltung abschafften und auf Just-in-Time-Produktion setzten, wuchs die Daseinsberechtigung des Betriebs. Um den risikoreichen Lieferkettenstrom bedarfsgerecht zu steuern und das unerwünschte und kostspielige Fehlen bestimmter Teile in der Produktionskette zu vermeiden, stapelten sich plötzlich die Anfragen und Aufträge. „Da genügte es nicht mehr nur, meinen Cousin ab und zu in den Flieger zu setzen. Ein echtes Businesskonzept musste her.“

Weltkarte schwarz-weiß mit kleinem Tisch und Hockern

Eine 18 Quadratmeter große Weltkarte hängt in Zulaufs Büro. „Unser Arbeitsgebiet!“ In den bisher absolvierten 30.000 Transporten stecken 30.000 Geschichten, vom langweiligen Kabelsatz nach Tunesien bis hin zu Flugzeugteilen für den neuen Airbus. Nach dem Erdbeben auf Hawaii lieferte das Unternehmen eine mobile Klinik. Für das Rotes Kreuz, EADS und das Technische Hilfswerk sowie im Auftrag von verschiedenen Regierungen werden Hilfsgüter in Katastrophengebiete und zu den Krisenherden der Welt gebracht. „Dabei besitze ich einen eigenen Codex: In Kriegs- und Krisengebiete bringe ich etwas nur dann, wenn es sich um Hilfsgüter handelt. Ich würde nie etwas für Kriegszwecke liefern.“ Die größten Herausforderungen gibt es im humanitären Bereich, wenn beispielsweise Blutkonserven rechtzeitig in Krisengebieten ankommen müssen. „Da können wir keine klassischen Flugwege nutzen und gleichzeitig gibt es eine sehr enge Zeitspanne, um die Kühlkette nicht zu unterbrechen.“

Holger Zulauf Schwarz-Weiß-FotoVon der Abholung über den Zollprozess bis zur Zustellung: Durch den Ausbau des Dienstleistungsnetzwerkes und der Standorte macht es SamedayLogistics möglich, an 365 Tagen im Jahr, an sieben Tagen pro Woche und rund um die Uhr zu liefern. Was in kleineren Dimensionen startete – also Gepäck, das man sich leicht unter den Arm klemmen konnte – wuchs allmählich zu größeren Sendungen an. Erst folgten voluminösere Transporte in Koffergröße, mittlerweile transportiert Zulauf eine Tonne und mehr – und auch das mit dem Passage-Label auf dem Container. Seine On-Board-Kuriere müssen nicht nur im Rahmen von komplexen Prozessen verlässlich funktionieren („Eine Minute zu spät ist schon inakzeptabel!“), sondern auch ein polizeiliches Führungszeugnis und eine tadellose Vita vorlegen. „Wie wertvoll die Fracht ist, hängt immer vom Kontext ab. Das ist die Festplatte mit Daten genauso wie der Montblanc-Füllfederhalter mit Diamanten, der für einen russischen Kunden nach Monaco ging.“

Schuhe von Holger Zulauf - SamedayLogisticsPedantisch und rasant sein – in Holger Zulauf vereinen sich diese Gegensätze. In seiner Freizeit treibt er dynamischen Sport mit dem Mountainbike, hat Leistungstennis gespielt und ist Tourenwagenrennen gefahren. Bei den dröhnenden Motorsport-Events hält er sich gerne auf – aber eben auch in der ruhigen Natur beim Wandern. In einem Fitness-Studio war er noch nie – und hat das auch nicht vor. Stattdessen sammelt er bei und mit seiner Familie die Ruhe und Gelassenheit, die sein turbulentes Business von ihm im Alltag abverlangt. „Da muss ich nämlich alles so korrekt ausführen wie ein Herzchirurg – in meinem Beruf darf ich mir nicht den kleinsten Fehler erlauben in Route, Zeitplan und Kalkulation.“

Räumlichkeit der Firma SamedayLogistics

Ein Schiffsteil nach Dutch Harbor. Eine Hundestaffel mit 25 Tieren und den dazugehörigen Herrchen nach Erdbeben in Krisengebiete. Und wenn das Formel 1-Rennteam beim Freitagstraining feststellt, dass ein Update der Technik nötig ist, sogar Technikteile nach Australien. „Ich mache einen Job, der niemals alltäglich ist. Jeder Auftrag ist anders und ich habe schon viele kuriose Geschichten erlebt.“ Und das zwischen Papua-Neuguinea und der Walachei, von Honduras bis Guatemala, von Mosambik bis Grönland, zwischen Alaska und der Inselgruppe der Aleuten. Damit das gelingt, arbeitet Zulauf akurat und akribisch, bedacht und gewissenhaft. „Einfach schnell sein reicht nicht. Zuverlässigkeit hat höchste Priorität. Dafür muss man mehrdimensional denken, die Komplexität kennen – oder auch nur daran denken, dass sich die Umsteigeverbindungen im Sommer und Winter ändern.“


Mein Motto:
Von nichts kommt nichts.
Das wollte ich als Kind werden:
Astronaut
Meine besonderen Stärken:
Organisationstalent
Mein besonderer Charakterzug:
Über Probleme denke ich erst nach, wenn sie eingetreten sind – nie vorab!
Dieses Denkmuster zeichnet mich aus:
Logik
Ausgangspunkt für meinen heutigen Erfolg:
Konsequenz und Durchhaltevermögen
Das zeichnet mich als Mensch aus:
Empathie und Zielstrebigkeit
So bin ich als Unternehmer:
zuverlässig, logisch, verbindlich
Mein Tipp für Jungunternehmer:
auch mal ein Risiko eingehen – sonst wird man vergleichbar
Mein Ratschlag für alle andere Unternehmer:
zuerst Ziele haben, dann diese konsequent verfolgen
Wie sieht ein perfekt funktionierendes Unternehmen aus? 
Unternehmertum ist immer Evolution!
Der Ort, an dem ich besonders gerne ausspanne:
mit meiner Familie und unserem Hund Houston in den Bergen
So sieht meine Work-Life-Balance-Bilanz aus:
eher Work statt Life
Das habe ich letztes Wochenende gemacht:
Meinen Sohn bei seinen Rennen zur Deutschen Go-Kart-Meisterschaft unterstützt.
Wenn ich ein Tier wäre, dann wäre das:
ein Gepard – gelassen und dennoch schnell
Mit dieser bekannten Persönlichkeit würde ich gerne einen Abend verbringen:
Ayrton Senna, weil wir uns in Ungarn nur kurz kennengelernt und zu seinen Lebzeiten viel zu wenig gesprochen haben. Ich bin fasziniert von diesem Ausnahmetalent und Jahrhundertsportler.
Das Geheimnis meines Erfolgs:
Ehrlichkeit und Konsequenz

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