Ein Unternehmen ist so gut wie sein Unternehmer.
Wie aus einer Biotech-Klitsche ein weltweit agierendes Unternehmen wird: Dr. Ralf M. Dreher kennt den Weg. Er ist ihn bei und mit der R-Biopharm AG in Darmstadt gegangen.
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Er hält sich für nicht sehr stark strukturiert. Mit seiner Art ist er für die Leitung einer AG nicht gerade optimal. Das sagt er von sich selbst. Authentische Führung ist ihm wichtiger als unendliches Wachstum – daher ist er ein einfühlsamer und ausgeglichener Chef, mit dem Streit schwierig zu bekommen ist. Ein Erfolgsrezept. Ganz offensichtlich. Denn obwohl er in seinem Leben an so mancher Weggabelung anders abbog als geplant und so manche Durststrecke durchlitt, ist Dr. Ralf M. Dreher heute erfolgreicher denn je. Obwohl oder gerade deshalb. Wenn er in etwa zwei Jahren aus dem Betrieb aussteigt, will er seinem Team vor allem eines hinterlassen: gelebte Werte.
Mein Weg zur Marktführerschaft war anfangs steinig, dann dynamisch und ist seit 15 Jahren kontinuierlich. Aus dieser Entwicklung habe ich sehr viel Selbstbewusstsein gezogen.
Die Flure sind lang, kalt und weiß. Da und dort hängt ein weißer Kittel und wartet auf seinen Einsatz. Es könnte eine Klinik sein oder ein militärischer Forschungstrakt. Steril wirkende Wände. Meterlang. Welche Geheimnisse wollen sie abschotten? „Tatsächlich erinnert es an eine Pharmaproduktion. Wer unsere Labore betreten will, muss durch einen Schleusenbereich. Der Mensch trägt zu viele Keime hinein. Daher muss man sich komplett umziehen, Kopfhaube und Kittel tragen. Mir macht das wenig Spaß, also bin ich eher selten im Labor. Es sind ja auch nur wenige Menschen dort nötig.“ Hinter der dicken Glasscheibe, von der aus einige Laborbereiche von außen ersichtlich sind, wirkt Dr. Ralf M. Dreher etwas verloren. An dem perfekt aufgeräumten Arbeitsplatz im Labor, an dem jedes Reagenzglas, jede Pipette und jeder Kolben seinen festen angestammten Standort hat, an dem alles gut strukturiert und passgenau konstruiert ist, scheint er nicht dazu zu gehören. Der Mann in dem legeren hellblauen Hemd könnte eher der Statist einer Fernsehwerbung für Zahnbürsten oder Zahnpasta sein, der aus dem Forschungslabor heraus dem Verbraucher gleich wichtige Ratschläge erteilt. Dabei ist der gelernte Lebensmitteltechniker ein Fachmann, der sich lange und intensiv mit der naturwissenschaftlichen und mikrobiologischen Richtung befasst hat. Und für den die sterile und sortierte Laborumgebung ein ganz übliches Umfeld sein sollte. So aber ist es längst nicht mehr.
Angefangen hat alles in jungen Jahren: Ralf war in der Schule in keinem Fach besonders gut. „Ich war nicht sehr fleißig – wie das oft bei Jungs so ist. Nur mit Mühe und Not bestand ich das Abitur.“ Weil Dreher keinen Studienplatz für Pharmazie ergattern konnte, begann er mit Lebensmitteltechnik, um später das Fach zu wechseln. Das passierte nie. Und obwohl sich der junge Mann mit dem Hintergrundwissen eines humanistischen Gymnasiums und somit ohne naturwissenschaftliche Vorkenntnisse in seinem Studium bis zum Vordiplom schwer tat, entwickelte sich bei ihm eine Faszination für die Welt der Mikro-Organismen.
„Verunreinigungen in ihrer Winzigkeit zu entdecken – das ist spannend. Es ist vergleichbar mit einem Stück Würfelzucker, das in den Bodensee geworfen wird – um dann selbst die geringsten Spuren davon noch nachzuweisen.“
Gluten in Fertiggerichten. Antibiotika-Rückstände in Honig. Allergene in Schokolade. Die R-Biopharm AG in Darmstadt entwickelt in den Bereichen Klinische Diagnostik und Lebens- und Futtermittelanalytik wegweisende Lösungen. Ob Testsysteme zum Nachweis von Kontamination in Lebensmitteln oder von Infektionserkrankungen: das Unternehmen hat sich in der Lebensmittelanalytik längst etabliert. „Wir beschäftigen uns zwar mit dem, womit andere wenig anfangen können. Und doch sind es keine abgehobenen Themen, sondern betreffen unseren normalen Alltag – wie eben Pferdefleisch im Rinderhack.“ Seit 1988 ist Dreher mit an Bord, seit der Gründung der R-Biopharm, als sich der Kunststoffspezialist Axel Röhm in der Biotechnologie ausprobieren wollte. Sechs Mitarbeiter gab es damals. Der Betrieb war eine Spielwiese. Parallel zur Auftragsforschung entwickelte das Unternehmen auch Testsysteme in der klinischen Diagnostik – bis dato unbekannte Methoden und Anwendungen wurden aus der Taufe gehoben.
Als die Auflösung der Firma dann zur Diskussion stand, änderten sich schlagartig die Vorzeichen. „Wir hatten intensiv miteinander gearbeitet – es hätte mir leidgetan, das versiegen zu lassen.“ Dreher fand einen Ausweg: einen Management-Buyout. „Also kratzte ich 1991 eine halbe Million Mark zusammen, kaufte die Firma und wurde deren Geschäftsführer.“ Wagnis pur: R-Biopharm hatte elf Mitarbeiter, schrieb bei wenig Umsatz deutliche Verluste und besaß keinen Vertrieb. „Andererseits waren die Vorzeichen aber auch nicht unbedingt schlecht.“ Dreher setzte alles auf eine Karte, finanzierte die ersten Jahre auch mit hohem privatem Risiko – und das mit drei Kindern. „Also habe ich mich in die Aufgabe gestürzt, um der Verantwortung für Mitarbeiter und Familie gleichermaßen gerecht zu werden. Die ersten drei Jahre waren finanziell schwierig. Zwei völlig unterschiedliche Disziplinen – nämlich Lebensmittel und Naturwissenschaft – zusammen zu bringen, war eine echte Herausforderung.“ Dreher führte und prägte das Unternehmen – er tut es bis heute. Aus der Biotech-Klitsche, wie er sie im Rückblick selbst nennt, formte er eine innovative Diagnostik- und Analytikfirma als ein weltweit agierendes Unternehmen. „Mein Weg zur Marktführerschaft war anfangs steinig, dann dynamisch und ist seit 15 Jahren kontinuierlich. Aus dieser Entwicklung habe ich sehr viel Selbstbewusstsein gezogen.“
Ein paar Akten dort, ein paar Zettelchen hier, zwischendrin die eine und andere Kaffeetasse. Drehers Bürobereich wirkt kreativ – wie ein inszenierter Gegenpol zum klinisch reinen und penibel geordneten Labortrakt. Dabei ist Drehers Erscheinungsweise ganz und gar nicht anarchistisch: Er artikuliert sich klar und antwortet besonnen, seine ruhige Art ist angenehm und seine Aussagen sind gut überlegt. Empathie und Vertrauen sind für ihn starke Pfeiler. Als Geschäftsführer kann er Menschen auf diese Weise für sich einnehmen und seine Mitstreiter für Ideen begeistern. Sein Führungsstil ist dabei eher unkonventionell: Mit großem Vertrauensvorschuss, zahlreichen Freiräumen und ohne Druck möchte er, dass seine Mitarbeiter mitgestalten, mitwirken und sich aktiv einbringen. „Ein Unternehmen ist so gut wie der Unternehmer. Wer seine Führungsrolle dominant sieht und erwartet, dass die Angestellten bloß ausführen, der muss sich nicht über fehlende Motivation und Freude wundern. Ich setze auf initiative und kreative Mitarbeiter – da kommt etwas Besseres dabei raus.“ Seine Fähigkeit, sich gut in andere Menschen hinein versetzen zu können, hilft ihm dabei. Arbeit nicht abschieben, sondern alle an der positiven Entwicklung des Unternehmens teilhaben lassen, jeden einbinden und genug Verantwortung und Entscheidungsfreiheit überlassen – so sieht für Dreher authentisches Führen aus. „So bin ich auch privat. Ich habe mir nicht extra etwas angelesen oder antrainiert. Ich verkörpere das als Chef, was ich als Mensch bin – ausgeglichen und einfühlsam. Streit ist mit mir schwierig zu kriegen. Ich kann mir unangenehme Dinge lange anschauen und gehe so manchem Konflikt auch aus dem Weg. Das ist nicht immer positiv.“
Unternehmer statt Theoretiker – so sieht sich Dr. Ralf M. Dreher und so will er auch wahrgenommen werden. Dass er so einiges unternommen, angepackt und realisiert hat, zeigen die Fakten: Von 0 auf 120 Millionen in 28 Jahren, ein jährliches Wachstum von 15 Prozent und gleich mehrere Auszeichnungen als Entrepreneur mit nachhaltigem Wachstum und bester Managementstruktur (Deloitte Sustained Excellence Award) sprechen für sich. Wirtschaften ohne Limitierung. Investitionen nach eigenem Gusto. Geringe Mitarbeiterfluktuation durch Möglichkeiten und Veränderungen. Eine komfortable Situation, in die Dreher sich und seinen Betrieb gebracht hat. „Wachstum tut der Firma gut. Und dennoch müssen wir uns eine zentrale gesamtgesellschaftliche Frage stellen: Wenn alles wachsen muss, wo führt das hin?“
Und wie ernährt sich eigentlich einer, der sich so eindringlich mit Lebensmittelsicherheit befasst? Der weiß, was so alles wo drin steckt? „Ich bin weder auf Nüsse allergisch noch besitze ich eine Gluten-Unverträglichkeit. Daher bin ich völlig entspannt. Zwar bin ich extrem sensibilisiert für das Thema Nahrungsmittel, Shrimps esse ich beispielsweise gar nicht mehr – wegen dem Anti-Parasiten-Antibiotika. Doch ich bin nicht dogmatisch, ernähre mich gesund, achte auf Kohlenhydrate und treibe mindestens an fünf Tagen pro Woche Sport.“ Nur einen beschränkten Teil seiner Zeit verbringt er im Büro. Die Vier-Tage-Woche hat er für sich selbst bereits vor drei Jahren eingeführt. Und denkt jetzt schon rechtzeitig an die Firmenübergabe: „Ich will nicht bis 70 arbeiten, daher ist mein Neffe Christian seit einiger Zeit im Betrieb. Er bereitet sich auf seine zukünftige Führungsrolle vor. Ich will in spätestens zwei Jahren raus sein.“ Danach will Dreher im Aufsichtsrat eine weiterhin aktive Rolle einnehmen, sich um Innovationen kümmern, Spanisch lernen und öfters Mal seine Enkelkinder in Argentinien besuchen.
Alles was ich wirklich will, schaffe ich auch.
Als Mensch bin ich:
vertrauenswürdig, zuverlässig, kommunikativ
Als Unternehmer bin ich:
innovativ, ein Teamplayer, nicht abgehoben
Mein Tipp für Jungunternehmer:
mutig sein und sich nicht in zu große Abhängigkeiten von Banken oder Investoren begeben
Mein Rat für alle anderen Unternehmer:
gutes Arbeitsklima schaffen statt Angstkultur aufbauen – so kann man die Kreativität der Mitarbeiter nutzen
Meine Work-Life-Balance:
Ich habe in den ersten zehn Jahren zu viel gearbeitet. Heute bin ich an vier Tagen pro Woche für acht bis zehn Stunden mit dem Betrieb befasst – also eine sehr positive Bilanz.
Meine Methode um abzuschalten:
Tennis-Match
Das habe ich letztes Wochenende gemacht:
Sportstudio und Weinfest
Wenn ich ein Tier wäre, dann wäre das:
ein Elefant – der geht unbeirrt seinen Weg
Das Geheimnis meines Erfolgs:
Ich nehme mich nicht so wichtig.
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