Ohne Risiko keine Innovation – aber bitte beherrschbar!
Heute treffen wir bei The Hidden Champion einen Champion im wörtlichen Sinn. Heinz-Georg Geissler ist nicht nur Director Customer Journey bei der Eberhard AG in Schlierbach, sondern war 2010 auch Sieger beim Worldcup of Poker auf den Bahamas. Wie es dazu kam und was sein berufliches Glück mit Appel zu tun hat, hat er uns im Interview verraten. Außerdem sprechen wir über den Stellenwert von Innovation, darüber, wie eine Transformation gelingt – und über konservative Japaner.
„Vielleicht wussten manche Unternehmen noch nicht einmal, dass sie jemanden wie mich brauchen.“ Das sagt Heinz-Georg Geissler über sich selbst und seine Motivation, sich blind bei Firmen zu bewerben. Auch bei seinen beruflichen Projekten setzt der Macher aus dem #Vertrieb gerne aufs Hunting. Dabei schreckt er auch vor internationalen Tech-Giganten wie Apple nicht zurück. Das veranlasste den CEO des Mutterkonzerns eines vorherigen Arbeitgebers einmal, extra aus Japan einzufliegen und ihm acht Stunden lang die Vorzüge des Farmings näherzubringen. Geissler glättete die Wogen, indem er dem Gast die Vorzüge eines deutschen Gasthofes näherbrachte. Doch auch bei allen anderen Projekten weiß Geissler: Nichts geht, wenn man die #Mitarbeiter nicht mitnimmt.
Das gilt insbesondere dann, wenn im Unternehmen eine große Transformation ansteht. Darum ist er überzeugt: Wer wertschätzend mit seiner Belegschaft umgeht und das Gute, das diese geschaffen hat, bewahrt, der besteht auch im Wandel. Doch damit es gar nicht erst so weit kommt, setzt Geissler vor allem auf eines: #Innovation. Denn er ist davon überzeugt, dass der, der sich auf seinem Erfolg ausruht, irgendwann von der Realität eingeholt wird. Darum will er es gar nicht erst so weit kommen lassen. Doch seine Risikobereitschaft kennt Grenzen: „Ich habe immer nur Poker gespielt, nie Roulette.“
Interview mit Heinz-Georg Geissler
Johannes: Hallo, mein Name ist Johannes Wosilat von The Hidden Champion. Und heute habe ich einen Gast bei mir, Heinz-Georg Geissler von der Firma Eberhard AG. Dort ist er Director Customer Journey.
Heinz: Schönen guten Morgen, John und vielen, vielen Dank für die Einladung.
Johannes: Sehr, sehr gerne. Du nennst Dich Director Customer Journey. Was hat es damit auf sich?
Heinz: Ja, das habe ich gerade erst recht jung eingeführt, denn die Customer Journey, die ist ja durchaus bekannt. Das sind ja alles Berührungspunkte, die man als Unternehmen zum Kunden hat, wie jetzt im Maschinenbau. Da sind ganz konkret Vertrieb, Marketing, Service, Projektleitung und Projektierung die typischen Hauptberührungspunkte. Bisher war es halt üblich, dass vor allem in Silos gedacht wurde, wenn es um Vertrieb und Marketing geht. Also Vertriebler beschweren sich typischerweise immer, dass aus dem Marketing schlechte Leads kommen. Das Marketing sagt wiederum: „Hey, wir haben so viele Leads, die wir hier generieren und der Vertrieb macht nix draus.“ Das gleiche gilt aber für die anderen Silos eben auch. Typischerweise wird auch zwischen Vertrieb und Service nicht gerade mit Freude und proaktiv kommuniziert. Da ich jetzt eben in einem Unternehmen bin, wo ich die Silos auch vorgefunden habe und ich mich sowieso im Rahmen meiner Verbandstätigkeit mit dem Thema Kundenzentrierung, den Kunden in den Mittelpunkt stellen, beschäftige, um daraus ein sinnvolles Geschäftsmodell, lag das nah, daran etwas zu verändern. Und früher hieß ich dann immer Leiter, Director oder CSO. Da steht überall Vertrieb dahinter, ist aber eine schlechte Wertschätzung für die Leute, die sich eben nicht als Vertriebler bezeichnen und das Geschäft funktioniert heutzutage nur so, dass man den Kunden mit sämtlichen Berührungspunkten gleich gut abholt.
Johannes: Du bringst auch diese Tätigkeit oder diese Arbeit mit in den Verband …
Heinz: Das ist der Bundesverband der Vertriebsmanager. Uns gibt es seit sieben oder acht Jahren und ich bin da im Präsidium und kümmere mich um das Ressort Förderpartner. Wir sind einfach eine coole Truppe von zusammengewürfelten Vertriebsmanagern aus den verschiedensten Branchen. Ich mache das jetzt seit sechs Jahren oder sieben Jahren und man fühlt sich, wie wenn man zu Hause ankommt, man ist sofort im Thema und tauscht sich zu den innovativen Sachen rund um den Vertrieb aus – und das sind so viele im Moment. Es tut unheimlich gut, dann immer wieder festzustellen, dass doch alle, die mit Vertrieb irgendwo zu tun haben, mit einer Führung von Vertrieb, dieselben Probleme haben.
Johannes: Du hast eigentlich in der Krise den Arbeitsplatz gewechselt. Du bist jetzt bei der Eberhardt AG. Was hast Du in der Zeit davor alles mitgenommen?
Heinz: Also aus meiner letzten, der vorherigen, Station konnte ich glaube ich unheimlich viel mitnehmen, da das eben in der Schweiz war. Ich habe dreieinhalb Jahre in der Schweiz gelebt. Ich habe wirklich am 1. Januar mein Auto vollgemacht, die Bude in Leonberg ausgeräumt und bin dann am 2. Januar da gewesen. Jetzt bin ich da und direkt eingezogen. Damit muss man erstmal klarkommen, aber ich war dann vom ersten Tag an wirklich ansässig in der Schweiz und habe mich auch bewusst vom ersten Tag an dort voll integriert. Es gibt ja genügend Pendler, die weiter hier wohnen und dann dort arbeiten. Aber ich habe gesagt, als Führungskraft ist es keine gute Idee. Wenn du dann Schweizer Personal führen willst und sollst und darfst, dann musst Du die Leute verstehen. Du musst ein Teil von dem werden – was schwer genug ist, nicht nur in der Schweiz, aber da besonders. Die Firma war auch noch auf dem Land, nicht in Zürich. Darum habe ich das gemacht und es war eine super Zeit. Ich habe sehr, sehr viel mitgenommen, auch von der Natur, weil ich eben gerne Ski fahre und auch Bergwanderer bin. Es hat mir unheimlich viel gegeben, diese Menschen und die Kultur kennenzulernen; die Unterschiede in Bezug auf Deutschland, was so den Schweizer generell ein bisschen mehr ausmacht – geht so bisschen für mich in die Richtung Asien – es ist viel diplomatischer, also da wird drauf geachtet, dass eben nicht so schnell das Gesicht verloren wird wie hier. Ich würde sagen, das tut gut, das fördert schon Innovation. Es fördert vor allem auch in der heutigen Zeit den Teamgeist, der das Wichtigste ist, weil eben diese Einzelkämpfermentalität, die stirbt aus, die funktioniert nicht mehr mit Digitalisierung. Du kannst nur noch vernetzt erfolgreich sein.
Johannes: Wie hast Du danach Deine nächste Position gesucht?
Heinz: Ich habe das gemacht wie im Vertrieb über eine Kaltakquise sozusagen, mit einem Partner im Rücken, der Firma Vogel & Detambel aus Wiesbaden. Die haben mir geholfen, die richtigen Unternehmen zu identifizieren, die zu mir passen könnten und mir eben auch ein gutes Training gegeben, wie man Gespräche führt, eben auf Vorstands-, Eigener-, Aufsichtsrat-Ebene, um sich dann wirklich „einrastend“ vorzustellen und das Gespräch auch eigentlich zu führen, denn viele Unternehmer sind völlig im Tunnel des Tagesgeschäfts gefangen und führen nicht dauernd Bewerbungsgespräche. Dann vergessen die manchmal auch, die richtigen Fragen zu stellen und wissen am Abend gar nicht mehr, was das jetzt eigentlich für ein Typ war. Dabei ist wichtig, dass da was einrastet. Das war eine tolle Suche, so nach dem Motto: Sende 250 Bewerbungen an einem Tag raus, alle zeitgleich, alle mit demselben Inhalt, mit demselben Anschreiben, weil Du Dich als Mensch, als Angebot formulierst. Das ist mein Angebot an Euch, das bringe ich mit. So kommst Du dann in eine Situation rein, wo die Unternehmen noch gar keine Ausschreibung haben. Vielleicht wissen sie noch nicht mal, dass sie jemanden wie mich gebrauchen könnten, aber es inspiriert sie dazu diesen letzten Schritt zu tun, zu sagen: „Mensch, genau da muss ich was tun, an der Stelle in meinem Unternehmen!“ Das habe ich vor vier Jahren schon mal gemacht und den Weg habe ich für mich beschlossen. So konnte ich mir im Prinzip aussuchen, wo ich hingehe und ich bin eben zu Eberhard gegangen.
Johannes: Was hältst Du denn von Hierarchien?
Heinz: Ich glaube nicht, dass es ganz ohne Hierarchien geht und dass so alles aus der Luft kommt. Ich glaube, es braucht gewisse Leitplanken für ein Unternehmen, die müssen irgendwo entstehen. Das kann man durchaus zusammen machen, aber da ist es wichtig, dass es Visionäre gibt, dass es Umsetzer gibt, dass es auch Leute gibt, die sich gerne ziehen lassen. Die Menschen sind eben verschieden. Es gibt Menschen, die die rennen voraus. Ich sage immer, es ist ein großer Unterschied im Management, ob ich ein Manager bin oder ein Leader – und es gibt sehr, sehr wenige Leader. Ich glaube, von den bräuchten wir in der heutigen Zeit ein paar mehr. Das sind die eigentlichen Hierarchien, die sich da natürlich für mich ausbilden. Gerade wenn man nicht so nahe beisammen ist und durch Digitalisierung auch sehr vernetzt von allen Stellen her arbeitet, dann muss man sich noch viel besser verstehen und vor allem verstehen: Wohin will denn eigentlich das Unternehmen und was sind die Ziele? Was sind die Werte eines Unternehmens? Denn das ist ja das, was bei den Kunden dann auch ankommt. Wenn ich da als Kunde auf einmal völlig verschiedene Einschläge kriege von ein und derselben Firma, was die Kultur und das Werteverständnis betrifft, macht das auf keinen Fall etwas Gutes. Darum glaube ich, gewisse Hierarchien sind notwendig. Auch muss irgendjemand am Ende des Tages eine Entscheidung treffen. Es funktioniert eben nicht alles nur basisdemokratisch. Es ist wichtig, dass man sich alles anhört und sich eine Meinung bildet, aber irgendjemand muss dann auch da sein, der sagt: „Okay, jetzt gehen wir diesen Weg.“
Johannes: Da sind wir jetzt eigentlich auch schon bei dem Thema Kommunikation.
Heinz: Das ist das Wichtigste überhaupt. Es wird zunehmend schwieriger mit der Kommunikation durch die Digitalisierung. Ich glaube, im Vertrieb entsteht eine Riesenchance, Sachen viel effizienter zu machen als in der Vergangenheit. Aber das zu lernen ist wirklich unheimlich schwer. Das hängt natürlich alles mit Kommunikation oder auch Führung zusammen. Das ist einfach ein Training, das glaube ich jeder durchlaufen sollte. Da hilft dann sicher auch immer wieder zu überlegen: Ist das eigentlich noch sinnvoll, was ich gerade da mache? Ist dieser Prozess sinnvoll, den ich eben so eingefahren mache? Wie interagiere ich dann gerade auch mit den ganzen Berührungspunkten? Das zweite Thema ist, dass für einen selbst die Sachen oft selbstverständlich sind. Wenn man eben jetzt irgendwo in der treibenden Rolle ist, wo man doch ein bisschen vorausschauend agiert, dann darf man es nicht verpassen, die Kommunikation dazu auch so zu führen, dass man eben das Team dabei mitnimmt; dass jeder auch versteht, warum soll es denn da hingehen? Ansonsten hat man einfach überhaupt keine Chance. Wenn das Team eben nicht dabei ist, dann kann man noch so innovativ sein und noch so ein toller Hecht, man wird keinen Erfolg haben.
Johannes: Jetzt mal ein paar persönliche Fragen. Was ist Dein Traum vom Glück?
Heinz: Es gibt für mich eigentlich zwei Arten von Glück. Wie ich mit der deutschen Nationalmannschaft den Worldcup of Poker gewinnen durfte, auf den Bahamas 2010, das war natürlich mega, als ich da als Spieler dabei war. Das weiß keiner so richtig, aber Deutschland war einmal Weltmeister im Pokern. Als ich beim Teamevent und da war ich Teil davon. Das war natürlich mega.
Johannes: Wie sieht Dein Pokerface aus?
Heinz: Ich glaube, ich bin da ziemlich emotionslos, wenn ich am Tisch sitze, da kann man relativ wenig lesen. Mich interessiert aber auch nicht, was die anderen für ein Gesicht ziehen, denn ich komme aus der Welt des Online-Pokers. Früher war das ja mal live, aber ich habe dann eben meinen Weg in der Online-Welt eben gemacht und da eine gute Zeit gehabt. So bin ich dann auch auf das Team gestoßen. Auf den Bahamas war das natürlich live und wirklich mit den ganzen Topstars aus jedem Land, die man sonst nur im Fernsehen sieht. Da hatten wir eben das Glück, an dem Tag zu gewinnen, die USA und gegen Kanada; gegen die Topleute, die normalerweise alle Titel abräumen. Das war genial. Das war natürlich so ein Glücksmoment.
Johannes: Auch ein Kartenglück?
Heinz: Ja klar, das sowieso. Beim Poker sind 80 Prozent Glück, bei jedem Spiel, bei jedem Turnier. Der Können-Anteil ist relativ gering, pro Spiel gesehen. Der setzt sich nur über die Langfristigkeit durch, über die Anzahl der Spiele, die Du spielst. Aber an jedem Tag, da brauchst Du auch eben das Quäntchen Glück, da hilft Dir das beste Können nichts, wenn Du eben nicht das Quäntchen Glück dabeihast. Das war uns dann halt hold und auch im Finale gegen Neuseeland. Da hat dann alles gepasst an dem Tag. Das war natürlich Adrenalin pur, das waren 16 Stunden, die wir da an dem Tisch verbracht haben und so irgendwann nachts um vier Uhr waren wir fertig und haben gefeiert. Aber das sind jetzt eben diese Adrenalin Momente. Das andere Glück, die andere Glücksart, finde ich, ist die, die man sich immer wieder bewusst machen muss. Das ist eigentlich so das Tägliche. Also ich bin eigentlich glücklich, wenn ich jeden Morgen aufstehe und freue mich auf den Tag und bin und habe keine Schmerzen oder Zipperlein. Du bist relativ gesund und stark und Du hast richtig Bock, an dem Tag was zu bewegen. Das ist für mich eigentlich Glück.
Johannes: Was bedeutet für Dich Erfolg? Hast Du das Gefühl erfolgreich zu sein?
Heinz: Für mich kann ich das durchaus sagen. Ich durfte viele tolle Erlebnisse haben und so viele Erfahrungen machen und viel von der Welt sehen. Das ist für mich Erfolg und eben auch wirklich Sachen, bei denen ich etwas bewegen konnte, die innovativ waren. Also zum Beispiel das iPhone. Das ist natürlich ein Erfolg, wenn man so etwas schafft. Da haben wir wirklich gegen Windmühlen gekämpft. Da war ich in einem Spin-Off und das wurde an eine japanische Firma verkauft und ich war auf einmal in einem japanischen Maschinenbau-Unternehmen mit 300 Mann und die waren so konservativ. Die wollten nicht wirklich die Innovation, die haben uns halt eingekauft, weil wir vor deren Haustür grassiert haben, die ihrer Kunden. Der Vertrieb hat gesagt: Mach‘s doch so wie immer. Das war eben krass, da musste ich wirklich erst mit dem mit dem Technologie-Scout von Apple … Wir haben alles versucht. Wir waren bei denen auf dem Campus und die Apple hat die bekniet, dass wir denen Maschinen bauen. Die Japaner, die haben zwar nicht nein gesagt, aber sie haben es dezent umschrieben, wie man das so macht in Japan. Der Technologie-Scout und ich, wir haben es beide nicht fassen können und mussten dann erst nach Saas Fee fahren, in die Schweiz, über ein Wochenende zum Skifahren. Abends sind wir beim Käsefondue gesessen und haben uns die Lösung überlegt, wie wir das doch machen. Die ganzen Zulieferer von Apple waren in Asien tätig und deshalb durfte ich keine Maschinen mehr verkaufen, das hatten die Japaner noch in der Hand. Ich durfte nur nach Deutschland und nach Nordamerika verkaufen. Am Ende haben wir irgendeine Idee gehabt, dass ja eine Muttergesellschaft von einem ihrer Lieferanten doch in Deutschland sitzt und da lief es wirklich so, dass Apple die gebrieft hat. „Morgen kriegt ihr vom Geissler ein Angebot, die einfach nur bestellen und wenn er die Maschinen kriegt: Nicht aufmachen, direkt nach Taiwan schieben zu eurer Tochter.“ – und so lief’s. Dann war das Ding nicht mehr zu stoppen. Irgendwann haben sie das natürlich spitzgekriegt, unsere japanischen Freunde. Dann habe ich einen Brief bekommen, den habe ich heute noch, drei Seiten vom CEO darüber, wie man Vertrieb macht, nach dem Motto: Hunting ist nicht so gut, eher Farming. Am nächsten Tag hat er sich in den Flieger gesetzt und hat uns den Brief noch acht Stunden lang im Besprechungszimmer erklärt. Dann sind wir Bier trinken gegangen und dann war alles schick und am nächsten Tag wieder heimgeflogen. Aber das Thema war ihm nicht mehr zu stoppen und das lief auch alles technisch problemlos. Das war dann schon ein Erfolg. Das sind Erlebnisse, wo man sagt: „Okay, die ganzen Mühen haben sich gelohnt.“ Wo man viel investiert hat und am Ende kam was Gutes bei raus.
Johannes: Vertrieb ist nicht Hunting sondern Farming. So kurzum …
Heinz: Das wollte er mir beibringen. Natürlich ist es auch Farming. Man braucht beides im Vertrieb, auch je nach Kunde und je nach Produktzyklus und Verkaufszyklus, klar. Aber es ist weder das eine noch das andere komplett richtig. Ich weiß nur definitiv: ohne Innovation funktioniert es nicht auf lange Sicht. Wenn Du in Deiner Super-Nische bist und der es gut geht und dann resistent gegen Veränderungen bist, holt es Dich irgendwann ein. Das habe ich eben auch schon mehrfach erlebt. Eine Finanzerin hat mal zu mir gesagt: Alles kommt irgendwann raus. Und so ist es aber auch. Irgendwann trifft’s Dich, dann wacht der Wettbewerb auf und irgendwann verändert sich der Markt. Dann erwachst Du aus Deinem Dornröschenschlaf und bist auf einmal mega unter Druck. Das will ich eigentlich für mich nie erleben. Zumindest nicht erleben, dass ich da so reinrutsche. Dass ich da reinspringe, das ist was anderes. Das mag ich ja. Das ist ja eigentlich das, was bei mir auf der Stirn steht. Das habe ich jetzt schon mehrfach durch mit Unternehmen und auch das war immer ein Erfolg. Zum Glück, muss ich sagen, bin ich immer während einer nötigen Transformation reingekommen. Dann dauert es ja auch noch. Das ist so ein Prozess, der geht zwischen zwei und vier Jahren, im Maschinenbau jedenfalls, bis so eine Firma dann richtig gut in der Spur ist – auf Erfolgskurs. Das ist dann auch Erfolg, wenn man das mal durchhat und sieht, dass die ganzen Anstrengungen gefruchtet haben.
Johannes: Was würdest Du anderen Maschinenbauern, die vielleicht vor so einer Transformation, vor einem Veränderungsprozess stehen – vielleicht gezwungenermaßen – mit auf den Weg geben?
Heinz: Also der Prozess ist sehr komplex. Es ist immer die Frage, in welchem Status man sich findet. Hat man es jetzt erkannt, dass man eine Transformation braucht? Wenn das der Fall ist, dann ist es nach meiner Erfahrung so, dass der alte Spruch stimmt: Der Fisch stinkt vom Kopfe her. Also wenn der Kopf, die Führungsmannschaft, sich nicht einig ist und eben nicht das inhaliert hat und versteht, wo man jetzt ist und wo man hinmuss und was dazu alles nötig ist, dann führt das eben zu einer brutalen Verzögerung in dem Prozess. Wenn da nur ein Rad in dem Ganzen nicht funktioniert, dann ist auch alles, was darunter kommt, abgekoppelt. Die haben keine Chance. Das hält nur auf. Deshalb ist das eigentlich, finde ich, der wichtigste Tipp: Fangt oben an! Das kann man durchaus selbst tun, also als Gremium. Wie transformiere ich mich? Wichtig ist, dass der Wille erst mal da ist. Man kann sich aber natürlich auch einen Berater dazu holen, aber im Haus, da gibt es ja genügend, die da auch helfen können. Ich denke, wichtig ist die Erkenntnis und dass man dann ein Team formt, das bereit ist, diesen Weg zu gehen und eben auch über die 100 Prozent da mitzuhelfen und da dranzubleiben, kurz: die dafür brennen und daran glauben. Das ist das Allerwichtigste. Wenn das gegeben ist, dann kommt natürlich alles, was da dranhängt; die ganzen Prozesse und auch Personen und die Organisationsstruktur und die Produkte. Aber das ist die Basis, weil das der Normalfall ist. Wir hatten natürlich auch ein Team, das vor der Transformation nicht unbedingt an einem Strick gezogen hat. Wir haben es trotzdem geschafft, dieses Team, dieses Führungsteam, zusammenzuhalten. Keiner davon ist von Bord gegangen. Das war anstrengend, denn ich habe das immer nur so erlebt: alter Vorstand geht – neuer kommt. Der sagt: „Okay, jetzt alle Schalter in die andere Richtung. Jetzt wird alles besser, vorher war alles Mist.“ Das war natürlich so auch nicht korrekt. Es geht ja darum, das Gute aus der Vergangenheit zu bewahren und mit dem Neuen zu verknüpfen. Das ist der Schlüssel zum Erfolg. Aber je größer das Unternehmen, desto klarer scheint: Du musst den Schalter komplett umlegen. Dann hängt da ein ganzer Rattenschwanz von Personen dran, geht der oberste, dann sind irgendwann alle Weg. Das ist so und es ist auch schwierig, das zu verhindern und vielleicht macht es am Ende auch gar keinen Sinn. Aber ich denke, es macht immer Sinn, die Energie reinzustecken und den Leuten eine Chance zu geben, eine Transformation mitzugehen. Aber das ist eben nichts, was Du über Nacht erzeugst. Da ist viel Kommunikation im Spiel und der Weg findet sich. Aber ich habe eben gute Erfahrungen damit gemacht, dass es Leute gibt, die diesen Weg gehen können, die völlig eingefahren sind in ihrem Tunnel und natürlich durch die frische Kommunikation auch frische Ideen bekommen und zu anderen Menschen werden. Also die müssen auch für sich eine Transformation durchlaufen. Und manche können das. Es ist aber sicher nicht die Überzahl, aber das ist dann auch Erfolg.
Johannes: Ein toller Spruch von Dir: „Das Gute aus der Vergangenheit mitnehmen und mit dem Neuen verknüpfen…“
Heinz: Das ist für mich so selbstverständlich.
Johannes: Aber ich habe schon einige Unternehmen kennengelernt, wo so vieles über den Haufen geworfen wird. Schlechte aber auch viele gute Sachen, wo man eigentlich dran geglaubt hat.
Heinz: Ja, das passiert auch, eben nicht zu knapp. Aber ich denke, da ist es wichtig, dass man eben drauf achtet. So hat man auch eine Chance, die Mitarbeiter mitzunehmen. Bei den Mitarbeitern kommt ja nur an: „Die da oben machen jetzt alles anders und die haben eh keine Ahnung und das war vorher eh alles besser.“ Wenn man es aber schafft, sich von aus dem Bewährten die Sachen rauszuarbeiten, die durchaus gut funktioniert haben und die bewusst mitnimmt und das dann wirklich auch so kommuniziert, sodass es alle auch verstehen, dann ist es eben auch authentisch. Dann verstehen die Leute, dass da eben nicht nur alles anders ist, weil da ein Neuer kommt. Dafür muss man sich aber die Zeit nehmen und zuhören. Es ist schon eine große Herausforderung das anzugehen, denn es braucht einfach Zeit, die Leute bei der Transformation mitzunehmen und nicht einfach nur auszutauschen. Man kann ja auch nicht alles austauschen, das wird die Firma auch nicht überleben. Das ist auch logisch. Aber es ist sehr schwierig, das zu tun. Wenn man das aber tut, ist das eine extrem gute Erfahrung, und das Ergebnis daraus ist auch extrem gut, denn es ist ja eben nicht alles schlecht gewesen. Die Firmen waren ja lange Jahre erfolgreich und das hat ja auch seine Gründe und am Ende des Tages sind es immer die Mitarbeiter.
Johannes: Was bedeutet für Dich Risiko?
Heinz: Ja, ohne Risiko keine Innovation. Risiko ist nötig und ist wichtig, aber bitte beherrschbar. Also ich habe zwar mal Poker gespielt, aber ich habe nie Roulette gespielt. Das ist ein Riesenunterschied. Das Risiko muss beherrschbar bleiben.
Johannes: Meine letzte Frage: Was bedeutet für Dich Sicherheit?
Heinz: Sicherheit? Also früher hat man ja gedacht: Na ja, wenn ich eben zum Daimler gehe und da meinen Job habe, dann bin ich sicher. Ich habe meinen Job, da kann ich lebenslang darauf bauen. Bei vielen war es ja auch sicher so und ist es auch vielleicht heute noch. Für mich ist Sicherheit aber was anderes. Für mich ist die Sicherheit das, was ich in meinem Leben alles erfahren und lernen durfte. Das habe ich als mein persönliches Tool-Set. Das gibt mir die Sicherheit, dass ich eigentlich in jeder Situation, beruflich wie auch privat, mit allem umgehen kann und immer einen Lösungsansatz habe. Also ich habe kein Thema, wo ich keine Lösung, keine Idee, hätte. Dass die nicht immer richtig ist, ist ja auch logisch. Aber das ist für mich eigentlich Sicherheit. Nichts anderes.
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