Mut haben und Fehler machen
Dirk Laubengeiger über eine positive Fehlerkultur im Familienunternehmen
The Hidden Champion sprach mit Dirk Laubengeiger, dem erfolgreichen Geschäftsführer von Ortlieb Präzisionssysteme aus Zell unter Aichelberg über seine Tätigkeit und seine Philosophie als Chef eines mittelständischen Betriebes, der seit über 100 Jahren zu den führenden Unternehmen in der Werkzeug- und Werkstückspannung gehört und seitdem für Qualität Made in Germany steht.
Wie ist es, die Verantwortung für ein solches Traditionsunternehmen zu tragen? Wie werden dort Entscheidungen gefällt? Sieh Dir unser Interview mit Dirk Laubengeiger an und erfahre, wie er schwere Entscheidungen auf ein möglichst breites Fundament stellt und wie dieser Stil der Unternehmensführung bei seinen Mitarbeitern ankommt. Der Geschäftsführer erzählt uns von seinem Aufstieg vom Mitarbeiter im Vertrieb und im Marketing in verschiedenen Unternehmen bis zu seiner heutigen Position. Was macht aus seiner Sicht einen guten Chef aus? Dirk gewährt uns einen Einblick in seine Werte als Führungskraft und seine Art mit Menschen umzugehen. Dabei geht es ihm nicht nur um das Verhältnis eines Vorgesetzten zu seinen Untergebenen, sondern vielmehr um eine grundsätzliche Attitüde gegenüber den Mitmenschen. Mit seiner ist Dirk immer gut gefahren und vertraut darum auf sie.
Wir reden über eine positive Fehlerkultur und was sein größte Fehler gewesen ist. Warum er heute mit dieser Fehlentscheidung gut leben kann, sogar dankbar für sie ist und wie man das Beste aus seinen Irrtümern macht, verrät uns dieser Löwe im Schafspelz mit viel Authentizität. Außerdem sprechen wir über social Entrepreneurship und warum Dirk findet, Eltern sollten ihre Kinder zu mehr Mut erziehen.
Interview mit Dirk Laubengeiger
Johannes: Hi, mein Name ist Johannes von Hidden Champion und heute bin ich bei Dirk Laubengeiger von der Firma Ortlieb Präzession Systeme in Zell unter Eichelburg. Das ist in der Nähe von Stuttgart. Schön, dass Du da bist oder: schön, dass ich bei Dir sein darf.
Dirk: Schön, dass Du da bist.
Johannes: Ich habe mir Deinen Link im Profil angeschaut und gesehen, dass Du quasi alle Stufen durchlebt hast, vom Azubi angefangen. Du hast an der FH studiert, dann warst du im Bereich IT verantwortlich, wenn ich mich recht entsinne.
Dirk: Vertrieb, Marketing, Vertrieb, Geschäftsführer.
Johannes: Was machst Du in der Führung jetzt anders, verglichen mit der Zeit, in der Du da Deine Chefs erlebt hast?
Dirk: Ich habe natürlich in den letzten Jahren sehr viel dazulernen müssen. Speziell hier in meiner Rolle als Geschäftsführer von Ortlieb. Ich habe früh in meiner Jugend ehrenamtliche Jugendarbeit gemacht, gelernt mit Menschen umzugehen, Menschen zu führen. Und das hat mir sicherlich geholfen, auch so ein bisschen dabei, mir Empathie anzueignen. Aber das allein reicht nicht. Man muss natürlich auch ein Stück weit die Nachhaltigkeit leben. Das heißt, man muss wirklich auch dranbleiben, führen. Das ist viel Arbeit, aber die Ergebnisse belohnen dafür.
Johannes: Und was ist jetzt deine Aufgabe speziell als Geschäftsführer?
Dirk: Ich bin ja allein. Ich habe jetzt keinen Companion oder so. Das heißt, ich muss mich um das ganze Unternehmen kümmern, um alle Bereiche. Und es ist eigentlich für mich das Tollste und Spannendste überhaupt. Weil ich da – natürlich in Anführungszeichen – tun und lassen kann, was ich möchte. Ich habe zwar noch einen Aufsichtsrat, dem ich Rechenschaft schuldig bin. Das heißt, wenn die Ergebnisse nicht stimmen, dann habe ich wahrscheinlich relativ schnell ein größeres Problem. Aber momentan sieht es eigentlich eher andersrum aus. Also es läuft gut.
Johannes: Welche Eigenschaften als Mensch haben Dich dorthin gebracht, wo Du jetzt bist?
Dirk: Ehrlichkeit, die Authentizität. Kann man das so sagen, dass ich authentisch bin? Also ich verstecke mich nicht, wenn ich mit Menschen spreche. Was ich sage, dazu stehe ich. Ich halte mein Wort, was heute vielleicht im Business nicht mehr unbedingt selbstverständlich ist, so nach dem Motto: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“ oder so. Und ein gewisses Gespür für die Menschen, mit denen ich zu tun habe. Immer zu versuchen, auf jeden Menschen individuell zuzugehen. Also jeden muss ich ein bisschen anders nehmen. Jeden Menschen ein Stück weit.
Johannes: Du führst ja das Unternehmen …
Dirk: Ja, aber ich führe es natürlich nicht allein. Ich habe einen Führungskreis, mit sechs Führungskräften aus allen Bereichen. Das war meine erste Reaktion, als ich hier als Geschäftsführer angefangen habe, dass ich diesen Führungskreis gegründet habe. Den gab es vorher nicht. Dort besprechen wir alles, was im Unternehmen entschieden werden muss, sowohl was das ganze Unternehmen betrifft als auch einzelne Bereiche. Damit erreiche ich ganz einfach, dass Entscheidungen auf eine breitere Basis gestellt werden und letzten Endes die Führungskräfte das auch in ihren Abteilungen weiter umsetzen. Weil nur wenn sie selbst mitbeteiligt sind an dem einen Entscheidungsprozess, stehen sie auch dahinter und können das ihren Mitarbeitern in Form von Führung wieder weitervermitteln.
Johannes: Das heißt, wenn ihr Entscheidungen trefft, trefft ihr die auch im Team. Also geht ihr noch eine Etage weiter oder einen Schritt weiter, dass dein Führungskreis die Entscheidung mit ihrem Team dann treffen? Oder seid ihr als Team der Führungskreis und du?
Dirk: Also wir als Führungskreis entscheiden das schon für uns im Team, was aber natürlich nicht heißt, dass es ein demokratischer Abstimmungsprozess ist oder so. Es ist schon so, dass viele Entscheidungen ich treffen muss, weil ich dafür geradestehen muss. Aber ich möchte all den Input von den anderen Führungskräften nutzen. Wenn wir jetzt bestimmte Bereiche im Unternehmen mit einem konkreten Projekt im Fokus haben, dann holen wir uns natürlich schon den Informationsfluss von den jeweiligen Mitarbeitern aus dem Bereich, weil die sich meistens am besten auskennen, was etwa die Prozesse betrifft.
Johannes: Passend dazu die spannende Frage: Was denken deine Mitarbeiter über Dich?
Dirk: Also die Frage habe ich mir oft gestellt, insbesondere am Anfang. Ich glaube, die meisten Mitarbeiter schätzen meine Ehrlichkeit und dass mein Wort zählt und man sich auf mich verlassen kann. Ich glaube, sie schätzen auch, dass ich jederzeit ein offenes Ohr habe für sie. In Summe, dass – seitdem ich in meiner Funktion hier bin – das Unternehmen sich nach vorne entwickelt hat. Aber das ist jetzt nicht allein irgendwie mein Verdienst, sondern letzten Endes eine Gemeinschaftsaktion.
Johannes: Wie denkst Du über das soziale Unternehmertum?
Dirk: Finde ich sehr gut und lobenswert, weil Unternehmer der Gesellschaft damit was zurückgeben. Egal in welcher Form, ob das jetzt in Form von Sportsponsoring ist oder Förderung der Kunst oder für sonstige soziale oder gesellschaftliche Einrichtungen. Das finde ich super.
Johannes: Gibt es Teile davon, die Ihr für Euch auch umsetzt?
Dirk: Für uns jetzt noch nicht so in dem Maße. Wir fühlen uns natürlich hier mit der Gemeinde Zell verbunden und haben zum Beispiel letztes Jahr der Freiwilligen Feuerwehr Masken gespendet, als eben keine Masken zu kaufen gab. Dann haben wir dem Kindergarten ein neues Bällebad geschenkt und so weiter. Wir haben jetzt hier schon den engen Kontakt. Aber in erster Linie zur Gemeinde. Sonstige Projekte sponsern wir aktuell nicht.
Johannes: Kommen wir zum Schluss noch zu etwas persönlicheren Fragen. Wofür in Deinem Leben bist Du dankbar?
Dirk: Auf jeden Fall für meine Familie und für gute Freunde; für den Halt, den ich da bekomme. Und auch dafür, dass ich mich einer ganz guten Gesundheit erfreuen darf.
Johannes: Wenn Du irgendetwas an der Art und Weise, wie Du erzogen wurdest, ändern könntest, was wäre das?
Dirk: Meine Eltern hätten mich in manchen Dingen wahrscheinlich etwas mehr bestärken können und nicht so sehr dieses Zweifeln rüberbringen. Dasselbe versuche ich jetzt bei meiner Tochter zu machen, Kinder ermutigen, etwas zu tun, das ihnen Spaß macht. Und sie nicht mit Vorsicht oder mit Warnungen überschütten: „Um Gottes willen! Pass auf, Du könntest Dich verletzen!“ oder „Lass es!“ Denn sonst erziehen wir sie zu extrem vorsichtigen Menschen, die vielleicht den Mut nicht haben, irgendwas zu tun. Ich habe mir damals natürlich den Mut selber rausgenommen, indem ich einfach mein Ding gemacht habe. Manchmal zum Leidwesen meiner Eltern.
Johannes: Ja, mutige Menschen braucht man.
Dirk: Ja definitiv, man muss mutig sein. Ich merke das auch bei mir hier und jetzt. Man muss bestimmte Dinge einfach ausprobieren. Wenn man sie nicht ausprobiert, weiß man nicht, ob es gut oder schlecht. Man muss aber auch bereit sein, hinterher etwas zu korrigieren, wenn es schlecht lief.
Johannes: Ja, Verantwortung übernehmen …
Dirk: Ja und eine offene Fehlerkultur zu haben. Fehler zugeben und sagen Gut, das war ein Fehler, das sollte nicht wieder vorkommen.
Johannes: Was war denn Dein größter Fehler?
Dirk: Da muss ich echt überlegen. Ich mach mal ein Beispiel, wie ich die Frage zu einem bestimmten Zeitpunkt beantwortet hätte, heute würde ich sie aber anders beantworten: Ich war mal in einem Unternehmen, war da eigentlich so weit zufrieden, habe aber ein Angebot bekommen, von einem anderen Unternehmen. Super Position, Gehaltssprung, mit Potenzial Karriere zu machen und so. Ich habe es dann nach reiflicher Überlegung gemacht. Ich habe gewechselt und nach relativ kurzer Zeit hat sich herausgestellt, dass das einfach nicht das war, was ich mir vorgestellt habe und was mir kommuniziert wurde. Und zu dem Zeitpunkt, wenn Du mich da gefragt hättest, hätte ich gesagt: Mein allergrößter Fehler war die Entscheidung, von meinem eigentlich guten, sicheren Arbeitsplatz wegzugehen und in so ein Schlamassel reinzugeraten. Ein halbes Jahr oder ein Jahr später hätte ich die Frage aber nicht so beantwortet, sondern ich hätte gesagt: Es war einfach eine schwierige Zeit. Acht Monate, das war nicht wenig. Die haben wehgetan. Aber danach wusste ich definitiv, was ich will und was ich nicht will. Das hat mir die Augen geöffnet und mich wieder auf den Boden gebracht. Ich habe das vielleicht gebraucht. Insofern war es temporär der größte Fehler meines Lebens, aber im Nachhinein betrachtet war es eigentlich gut so, wie es war. Vor allem ich bin ja ein sehr positiv denkender Mensch. Ich kann mich wahrscheinlich an die ganzen negativen Dinge wie Fehler, die mein Leben irgendwann mal waren, gar nicht mehr so erinnern. Aber das ist wahrscheinlich auch gut.
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